Kündigung wegen psychischer Erkrankung angreifen
Eine Kündigung wegen psychischer Erkrankung kann schwere Folgen für den Arbeitnehmer haben, ist allerdings unter hohen Anforderungen möglich. Wir erklären Ihnen die Rechtslage und zeigen Ihnen auf, wie Sie in diesem Fall vorgehen sollten.
Was tun nach einer Kündigung wegen psychischer Erkrankung?
Wenn Ihnen Ihr Arbeitgeber wegen einer psychischen Erkrankung kündigt, empfehlen wir, schnellstmöglich einen Fachanwalt für Arbeitsrecht zu konsultieren. In der Regel kann die Kündigung nur durch eine Klage beseitigt werden.
Folgendes gilt es hierbei zu beachten:
- Die Kündigungsschutzklage können Sie nur innerhalb von drei Wochen nach Erhalt der Kündigung einreichen. Nach Ablauf dieser Frist wird die Kündigung wirksam, unabhängig davon, ob sie tatsächlich fehlerhaft war. Der Arbeitsplatz ist damit ebenso verloren wie die Chancen, eine hohe Abfindung auszuhandeln.
- Mit der Kündigungsschutzklage können Sie erreichen, dass das Arbeitsverhältnis weiterhin bestehen bleibt. Sollte das Arbeitsgericht die Kündigung aufgrund von Formfehlern oder inhaltlicher Mängel für unwirksam erklären, behalten Sie Ihr Arbeitsverhältnis in der ursprünglichen Form. Außerdem muss der Arbeitgeber Sie in diesem Fall für die Dauer des Prozesses nachbezahlen, obwohl Sie nicht gearbeitet haben.
- Auch wenn Sie nicht mehr an Ihren Arbeitsplatz zurückkehren möchten, sollten Sie eine Kündigungsschutzklage einreichen. Oft zahlt der Arbeitgeber nämlich nach der Kündigungsschutzklage eine Abfindung. Auch hierbei sollten Sie sich möglichst von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht beraten lassen.
Wir empfehlen Ihnen außerdem, sich vorsichtshalber bei der Arbeitsagentur arbeitssuchend und arbeitslos zu melden. So vermeiden Sie Probleme beim Bezug von Arbeitslosengeld I.
Ermitteln Sie auch, wie viele Urlaubstage Ihnen noch zustehen. Sie können oft eine attraktive Urlaubsabgeltung nach langer Krankheit verlangen.
Ist eine Kündigung wegen psychischer Erkrankung möglich?
Ja. Auch wenn eine Kündigung wegen psychischer Erkrankung als besonders harte Maßnahme erscheint, ist sie möglich. Dementsprechend hoch sind allerdings auch die Voraussetzungen für eine derartige Kündigung, die erfüllt sein müssen, um eine Kündigung rechtfertigen zu können:
1. Besteht eine negative Gesundheitsprognose?
Zunächst muss eine Gesundheitsprognose ergeben, dass der Arbeitnehmer nicht nur vorübergehend, sondern auch in Zukunft häufiger oder für längere Zeit seinen Pflichten nicht nachkommen können wird („negative Gesundheitsprognose“). Bisherige Fehlzeiten spielen dabei keine entscheidende Rolle, können aber ein Indiz sein. Besonders aussagekräftig ist ein Attest Ihres Arztes, wonach Sie in Zukunft nicht mehr an psychischen Erkrankungen leiden werden.
2. Kommen mildere Mittel als die Kündigung infrage?
Aufgrund der starken Belastung für den Arbeitnehmer kommt eine Kündigung nur als letztes Mittel in Betracht. Kommen mildere, leidensgerechte Mittel infrage, ist die Kündigung unwirksam. Der Arbeitgeber muss insbesondere prüfen, ob der Arbeitnehmer anderweitig im Unternehmen beschäftigt werden kann. Hierbei ist in der Regel ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anzubieten, wenn der Arbeitnehmer in den letzten zwölf Monaten insgesamt sechs Wochen gefehlt hat. Sieht der Arbeitgeber von einer Einladung zum BEM ab, muss er später vor Gericht beweisen, dass keine leidensgerechte Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Unternehmen bestand. Das gelingt nicht immer.
3. Betriebliche Beeinträchtigung
Allein Ihre Arbeitsunfähigkeit genügt nicht, um Ihnen kündigen zu dürfen. Denn sobald Sie länger als sechs Wochen am Stück arbeitsunfähig sind, kosten Sie den Arbeitgeber nichts mehr. Sie erhalten dann in der Regel Krankengeld von der Krankenkasse. Der Arbeitgeber muss also andere Gründe darlegen, warum ihm das Arbeitsverhältnis nicht mehr zumutbar ist. Das gilt besonders, wenn er erst im Krankengeldbezug kündigt.
Gründe für eine Kündigung können etwa sein (Beispiele):
- Sie arbeiten in einer Führungsposition, die nicht dauerhaft von einer Vertretung wahrgenommen werden kann.
- Sie sind immer wieder kürzer als sechs Wochen erkrankt. Der Arbeitgeber muss Sie dann jeweils weiterbezahlen, obwohl Sie nicht arbeiten.
4. Interessenabwägung
Zudem muss das Interesse des Arbeitgebers gegen Ihr Interesse an der Weiterbeschäftigung abgewogen werden. Nur wenn diese Abwägung ergeben sollte, dass das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses überwiegt, ist eine Kündigung zulässig. Hier kommt es stark auf den Einzelfall an. Relevante Faktoren sind etwa:
- Arbeiten Sie schon lagen für das Unternehmen?
- Welche Chancen haben Sie auf dem Arbeitsmarkt?
- Wie umfangreich sind Ihre Fehlzeiten?
- Welcher wirtschaftliche Schaden entsteht dem Arbeitgeber?
- Wie leicht kann er Ihren Ausfall kompensieren?
5. Kommt dem Arbeitnehmer besonderer Kündigungsschutz zugute?
Schließlich ist zu prüfen, ob ein besonderer Kündigungsschutz für Sie gilt. Dies ist beispielsweise bei Schwerbehinderten, Auszubildenden oder Mitgliedern des Betriebsrats der Fall. Unkündbar sind diese Arbeitnehmer aber nicht.
Hier erhalten Sie mehr Informationen zum Kündigungsschutz von schwerbehinderten Arbeitnehmern.
Welche psychischen Erkrankungen führen zur Kündigung?
Wegen der genannten Voraussetzungen kommt eine Kündigung wegen psychischer Erkrankung nur in Betracht, wenn
- die psychische Erkrankung von Dauer ist,
- keine anderweitige Beschäftigung im Unternehmen besteht und
- die Abwägung ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers an der Kündigung ergibt.
Dies ist nur bei besonders schweren psychischen Erkrankungen der Fall.
Wichtig: Entscheidend bleibt eine Einzelfallbetrachtung. Pauschal lassen sich keine Erkrankungen aufzählen, die stets eine Kündigung rechtfertigen könnten. Grundsätzlich muss die psychische Erkrankung dazu führen, dass der Arbeitnehmer seinen Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis nicht mehr nachkommen kann. Dies ist insbesondere bei vielen Fehltagen aufgrund der Krankheit der Fall. Folgende Krankheiten lösen erfahrungsgemäß viele Fehltage aus:
- Depressionen
- Posttraumatische Belastungsstörung oder Anpassungsstörung
- Weitere neurotische Störungen
- Weitere Angststörungen
- Alkohol- oder Drogenabhängigkeit
Ist eine fristlose Kündigung wegen psychischer Erkrankung möglich?
Nein. Im Rahmen der ordentlichen Kündigung aufgrund von psychischer Krankheit gilt eine Frist, die im Arbeits- bzw. Tarifvertrag oder nachrangig in § 622 BGB festgelegt ist. Die Dauer dieser Frist variiert üblicherweise von einigen Wochen bis hin zu mehreren Monaten.
Auch wenn die krankheitsbedingte Kündigung ausnahmsweise als außerordentliche Kündigung erklärt wird, hat sie keine sofortige Wirkung. Zwar ist dies in der Regel bei einer außerordentlichen Kündigung der Fall, allerdings gilt für die krankheitsbedingte Kündigung eine Ausnahme. Da der Arbeitnehmer unverschuldet arbeitsunfähig wird, muss der Arbeitgeber ihm eine soziale Auslauffrist gewähren. Diese Auslauffrist entspricht in der Regel der Frist für eine ordentliche Kündigung.
Achtung: Bitte unterscheiden Sie zwischen einer fristlosen Kündigung wegen Krankheit und einer fristlosen Kündigung während einer Krankheit. Auch während der Arbeitsunfähigkeit darf der Arbeitgeber aus anderen Gründen fristlos kündigen (z.B. Krankfeiern). Die Hürden liegen allerdings hoch.
Erhalte ich Arbeitslosengeld bei Kündigung wegen psychischer Erkrankung?
Bei einer Kündigung wegen psychischer Erkrankung hat der Gekündigte ggf. einen Anspruch auf Arbeitslosengeld I. Das gilt allerdings nur, wenn Sie wieder arbeitsfähig – das heißt gesund – sind. Sie sollten sich schnellstmöglich bei der Arbeitsagentur arbeitssuchend und arbeitslos melden.
Wenn Sie bei Ablauf der Kündigungsfrist arbeitsunfähig sein sollten, steht Ihnen in der Regel Krankengeld von der Krankenkasse zu.
Sollte das Arbeitsverhältnis allerdings durch einen Aufhebungsvertrag oder eine Eigenkündigung durch Sie selbst beendet worden sein, droht eine Sperrzeit – und zwar gleichermaßen im Arbeitslosengeld- und im Krankengeldbezug. In diesem Fall der „selbstverschuldeten Arbeitslosigkeit“ sollten Sie umgehend rechtlichen Rat einholen, um eine Sperrzeit zu vermeiden. Unterschreiben Sie keinen Aufhebungsvertrag, ohne zuvor einen Fachanwalt für Arbeitsrecht gesprochen zu haben.
Kündigung wegen psychischer Erkrankung im öffentlichen Dienst
Auch im öffentlichen Dienst gelten grundsätzlich die aufgezählten Voraussetzungen für eine Kündigung wegen psychischer Erkrankung. Erfahrungsgemäß wird diese im öffentlichen Dienst allerdings häufig später ausgesprochen als in privaten Betrieben. Dies liegt insbesondere daran, dass Beschäftigte, die unter den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD/TV-L) fallen, einen hohen Kündigungsschutz genießen. Außerdem wird dem öffentlichen Arbeitgeber im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung mehr zugemutet.
Folgende weitere Besonderheiten ergeben sich im öffentlichen Dienst:
- Für dienstältere Beschäftigte im öffentlichen Dienst gilt regelmäßig ein besonders hoher Kündigungsschutz. Sie sind ab dem 40. Lebensjahr ordentlich unkündbar, wenn sie seit mindestens 15 Jahren im öffentlichen Dienst beschäftigt sind. Dies bedeutet, dass nur noch eine außerordentliche Kündigung unter sehr hohen Anforderungen möglich ist. Der Schutz betrifft allerdings nur Angestellte in den neuen Bundesländern.
- Für tarifgebundene Beschäftigte im öffentlichen Dienst gelten andere Kündigungsfristen (z. B. § 34 TVöD/TV-L).
- Auf der anderen Seite spricht für ein wirtschaftliches Interesse des Arbeitgebers an der Kündigung, dass er Ihnen auch nach Ablauf der ersten sechs Wochen Arbeitsunfähigkeit weiterhin Gehaltszahlungen schuldet (§ 22 Abs. 2 TVöD/TV-L).
Eigenkündigung wegen psychischer Erkrankung
Eine Eigenkündigung ist jederzeit unter Berücksichtigung der Kündigungsfristen möglich. Diese ergeben sich vorrangig aus dem Arbeits- oder Tarifvertrag. Nur wenn dort nichts geregelt ist, bestimmt § 622 BGB Ihre Kündigungsfrist.
Eine Eigenkündigung sollte wohlüberlegt sein, da der Arbeitnehmer bei einer Eigenkündigung nicht auf eine Abfindung hoffen kann. Außerdem droht eine Sperrzeit beim Arbeitslosen- und Krankengeld. Daher empfehlen wir dringlichst, sich vor einem solchen Schritt rechtlichen Rat einzuholen.
Fazit
- Sollten Sie von Ihrem Arbeitgeber aufgrund einer psychischen Erkrankung gekündigt worden sein, kontaktieren sie schnellstmöglich einen Fachanwalt für Arbeitsrecht. Dieser kann Ihnen helfen, die Kündigung durch Kündigungsschutzklage zu beseitigen oder die Folgen zu mildern.
- Grundsätzlich ist eine Kündigung wegen psychischer Erkrankung möglich, wenn auch unter engen Voraussetzungen, die nebeneinander vorliegen müssen.
- Welche psychische Krankheit zur Arbeitsunfähigkeit und damit zur krankheitsbedingten Kündigung führen kann, ist einzelfallabhängig.
- Eine fristlose Kündigung allein wegen einer psychischen Erkrankung ist nicht möglich.
- Hat der Arbeitgeber die Kündigung ausgesprochen, steht Ihnen in der Regel Arbeitslosengeld I oder Krankengeld zu. Im Falle der „selbstverschuldeten“ Kündigung sollten Sie sich rechtlichen Rat einholen, um eine Sperrzeit zu vermeiden.
- Für Beschäftigte im öffentlichen Dienst können Besonderheiten gelten, die dazu führen, dass dem Arbeitgeber im Rahmen der Interessenabwägung der krankheitsbedingten Kündigung mehr zugemutet wird.
- Sollte Sie eine Eigenkündigung wegen psychischer Erkrankung in Betracht ziehen, empfehlen wir Ihnen einen Fachanwalt für Arbeitsrecht zu kontaktieren, um den Verlust von Arbeitslosen- und Krankengeld zu vermeiden.
Wie unsere Mandanten das Engagement von Dr. Drees bewerten