Die wichtigsten Infos zu Arbeitszeit und Überstunden
Arbeitszeiten werden immer länger – und Arbeitnehmer legen immer mehr Wert auf ihre Freizeit. Das Gesetz sieht engere Grenzen für die Arbeitszeiten vor, als häufig angenommen wird. Auch für Überstunden gibt es klare Regeln.
Ihre Fragen rund um die Themen Arbeitszeit und Überstunden beantwortet Ihnen Herr Rechtsanwalt Dr. Drees.
1. Wie lange darf der Arbeitnehmer arbeiten?
Der Arbeitnehmerschutz wird zu einem wesentlichen Teil vom Recht der europäischen Union beeinflusst. Der deutsche Gesetzgeber hat diese Vorschriften unter anderem im Arbeitszeitgesetz (ArbZG) geregelt.
Zunächst das Wichtigste: Wie berechnet sich die Arbeitszeit?
Die Arbeitszeit ist die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit. Abgezogen werden jedoch die Pausen des Arbeitnehmers (§ 2 ArbZG).
Nun kann jeder Arbeitnehmer selbst kontrollieren, ob seine Arbeitszeit innerhalb der gesetzlichen Vorgaben liegt:
- Die Arbeitszeit darf grundsätzlich täglich acht Stunden nicht überschreiten (§ 3 Satz 1 ArbZG).
- Zehn Stunden pro Tag sind ausnahmsweise möglich, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder 24 Wochen die 8-Stunden-Grenze im Durchschnitt nicht überschritten wird (§ 3 Satz 2 ArbZG). Die zusätzlichen Stunden müssen also ausgeglichen werden.
- Aus dieser täglichen Höchstarbeitszeit ergibt sich eine wöchentliche Höchstarbeitszeit von maximal 48 Stunden oder bis zu 60 Stunden, wenn diese in den darauffolgenden Wochen ausgeglichen werden.
Aber nicht nur die Frage, wie lang ein Arbeitnehmer arbeiten darf, ist gesetzlich geregelt. Auch auf seine Freizeit zwischen zwei Arbeitstagen hat der Arbeitnehmer ein Recht („Ruhezeit“):
- Nach einem Arbeitstag muss der Arbeitnehmer mindestens elf Stunden Ruhezeit haben (§ 5 ArbZG).
- Der Arbeitnehmer muss innerhalb von sieben Tagen zumindest einen freien Tag haben.
Diese Regeln gelten für die überwiegende Mehrheit aller Arbeitnehmer. Lediglich für einzelne Berufsgruppen gibt es besondere Vorschriften. So sind beispielsweise Nachtarbeiter aufgrund ihrer anstrengenden Arbeit besonders geschützt. Beschäftigte im Gesundheitsbereich haben wiederum andere Ruhezeiten. Für leitende Angestellte gilt das ArbZG hingegen erst gar nicht.
Auch müssen Arbeitnehmer und Arbeitgeber stets beachten, ob ein Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung abweichende Regelungen treffen.
2. Welche Pausen stehen dem Arbeitnehmer zu?
Pausen sollen die Konzentration des Arbeitnehmers wiederherstellen und ihn vor Übermüdung schützen. Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen sich daher an folgende Regelungen halten (§ 4 ArbZG):
- Bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden muss zwischendurch eine 30-minütige Pause eingelegt werden.
- Bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden steht dem Arbeitnehmer eine 45-minütige Pause zu.
- Die Pausen müssen dabei spätestens nach sechs Stunden genommen werden.
Seine Pause kann der Arbeitnehmer grundsätzlich frei gestalten. Der Arbeitgeber darf ihm in dieser Zeit keine Arbeit auftragen.
Achtung: Da diese Vorschriften den Arbeitnehmer schützen sollen, kann er auch nicht freiwillig auf seine Pause verzichten. Der Arbeitnehmer muss daher eine Pause einlegen, wenn er mehr als sechs Stunden arbeitet. Ansonsten liegt ein Verstoß gegen das ArbZG vor.
Beispiel:
Arbeitnehmer A hat eine tägliche Arbeitszeit von 9 Stunden. Heute möchte er früher nach Hause und arbeitet deswegen die Pause durch. Arbeitgeber B ist damit einverstanden. Geht das?
Nein, A muss zwingend eine 30-minütige Pause einlegen. Sein Arbeitgeber muss auch auf die Einhaltung dieser Regel hinwirken und darf sich nicht mit dem Durcharbeiten einverstanden erklären.
3. Wie ist die Arbeitszeiterfassung zu gestalten?
Der Schutz des Arbeitnehmers wäre nicht besonders effektiv, wenn ein Nachweis der Arbeitszeit nicht möglich wäre. Der Arbeitgeber muss daher zumindest die Arbeitszeit erfassen, welche die tägliche Höchstgrenze von acht Stunden überschreitet (§ 16 Abs. 2 ArbZG). Nur so kann sichergestellt werden, dass die zusätzlichen Stunden in den folgenden Wochen ausgeglichen werden. Eine genaue Form der Aufzeichnung schreibt das Gesetz (noch) nicht vor. Üblich sind bisher Stundenzettel, digitale Stempeluhrkarten und ähnliches.
Die gewöhnliche Arbeitszeit muss bisher nach deutschem Recht nicht aufgezeichnet werden. Hier zeichnet sich jedoch eine Wende ab:
Der EuGH hat 2019 ein wichtiges Urteil in dieser Angelegenheit getroffen. Die europäischen Mitgliedsstaaten seien verpflichtet, die Erfassung der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer sicherzustellen. Anderenfalls könne die Einhaltung der Arbeitszeitregelungen nicht kontrolliert werden. Die genaue Regelung obliege aber den Mitgliedsstaaten.
Zur Entwarnung: Unmittelbarer Handlungsbedarf ergibt sich für Arbeitgeber hieraus noch nicht. Zunächst muss das Urteil des EuGH in Deutschland durch den Gesetzgeber umgesetzt werden. Arbeitgeber sollten sich jedoch darauf einstellen, zukünftig die Arbeitszeit ihrer Arbeitnehmer genau erfassen zu müssen. Welche Vorgaben genau gemacht werden, bleibt abzuwarten.
4. Müssen Überstunden gemacht werden?
In manchen Unternehmen gehören Überstunden zum guten Ton. Der Arbeitnehmer ist jedoch grundsätzlich nicht verpflichtet, über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus zu arbeiten.
Nur ausnahmsweise darf der Arbeitgeber doch Überstunden anordnen:
- Im Arbeits- oder Tarifvertrag wurde eine entsprechende Regelung getroffen.
- Das Unternehmen befindet sich in einer Notsituation.
Zu beachten ist hierbei jedoch, dass Überstunden aufgrund einer Notsituation nicht die Regel sind und auch eine Ausnahme bleiben müssen. Eine dauerhaft erhöhte Nachfrage ist beispielsweise keine Notsituation.
5. Darf Überstundenabbau angeordnet werden?
Mitunter hat der Arbeitnehmer nicht zu viel, sondern zu wenig Arbeit. Der Arbeitgeber könnte dann auf die Idee kommen, die Arbeitnehmer nach Hause zu schicken und Überstundenabbau anzuordnen.
Auch hier lohnt für den Arbeitnehmer ein Blick in den Arbeits- oder Tarifvertrag. Ein angeordneter Überstundenabbau ist nur mit entsprechender Klausel möglich. Ist dazu im Vertrag nichts geregelt, kann der Arbeitnehmer die Überstunden grundsätzlich ausbezahlt verlangen.
6. An wen kann sich der Arbeitnehmer bei Verstößen wenden?
Grundsätzlich soll der Arbeitgeber selbst dafür Sorge tragen, dass in seinem Unternehmen das ArbZG befolgt wird. Da dies aber oft nicht funktioniert oder sogar auf Druck des Arbeitgebers mehr gearbeitet wird, muss der Arbeitnehmer mitunter selbst für die Wahrung seiner Rechte kämpfen.
Die erste Anlaufstelle kann hier der Betriebsrat sein. Dieser soll die Interessen der Arbeitnehmer vertreten. Er wird daher gemeinsam mit dem Arbeitnehmer auf eine Einhaltung der Arbeitszeitregelungen hinwirken.
Daneben kontrollieren die Aufsichtsbehörden der Länder die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes. Hierzu dürfen sie vom Arbeitgeber die notwendigen Auskünfte, insbesondere Arbeitszeitnachweise, verlangen und die Arbeitsstätten besichtigen. Stellen die Behörden einen Verstoß gegen das ArbZG fest, kann es für den Arbeitgeber teuer werden: Eine Geldbuße von bis zu 15.000€ ist möglich. Bei wiederholten Verstößen oder einer vorsätzlichen Gefährdung der Gesundheit der Arbeitnehmer droht sogar ein Strafverfahren. Eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr ist dann möglich.
Aber Achtung: Der Arbeitnehmer sollte sich sicher sein, dass tatsächlich das ArbZG verletzt ist. Aufgrund diverser Ausnahmeregelungen für besondere Berufsgruppen und unterschiedlicher Tarifverträge ist die Feststellung eines Verstoßes mitunter nicht leicht. Eine unberechtigte Beschwerde wird der Arbeitgeber aber nicht freudig aufnehmen. Der Arbeitnehmer sollte daher zunächst einen Fachanwalt für Arbeitsrecht aufsuchen und mit ihm das weitere Vorgehen beraten.