Was tun, wenn Arbeitgeber Pflichtverletzungen rügt?
Nach einer Abmahnung befürchten viele Arbeitnehmer, dass sofort ihre Kündigung folgt. Das müssen sie in den meisten Fällen allerdings nicht. Häufig lohnt es sich trotzdem, gegen die Abmahnung vorzugehen.
Herr Rechtsanwalt Dr. Drees berät täglich zu Abmahnungen und Kündigungen. Auf seinen Rat können Arbeitgeber und Arbeitnehmer vertrauen.
1. Welche Abmahnungsgründe gibt es?
Eine Abmahnung droht, wenn der Arbeitnehmer seine Pflichten verletzt. So fordert der Arbeitgeber den Mitarbeiter dazu auf, sich künftig an die Regeln zu halten. Die Abmahnung ist auch eine Warnung an den Arbeitnehmer und soll ihm Gelegenheit geben, sich mit einem besseren Verhalten zu bewähren.
Mögliche Abmahnungsgründe sind so vielfältig wie das Arbeitsleben selbst. Jede denkbare Pflichtverletzung kann zur Abmahnung führen.
Häufige Gründe sind die folgenden:
- Unpünktlichkeit des Arbeitnehmers
- Schlechtleistung
- Beleidigung von Arbeitgeber, Kunden oder Kollegen
- Private Internetnutzung
- Arbeitsverweigerung
- Arbeitszeitbetrug
- Mobbing
- Unerlaubte Nebentätigkeit
- Verstoß gegen Sicherheits-, Compliance- oder Verschwiegenheitsvorschriften
Unwirksam ist allerdings eine Abmahnung wegen Krankheit. Es kommt im Arbeitsalltag dennoch immer wieder dazu. Eine Krankheit hat aber nichts mit einem Fehlverhalten des Arbeitnehmers zu tun. Kommt es später zu einem Kündigungsprozess, wird der Richter die Abmahnung schlichtweg ignorieren (bzw. sie wirft kein gutes Licht auf den Arbeitgeber). Möglich ist allenfalls eine Abmahnung wegen fehlender oder verspäteter Krankmeldung.
2. Droht eine Kündigung?
Gleich vorab: Eine Abmahnung führt nicht automatisch zur Kündigung. Oftmals bereitet sie eine solche aber vor.
Die Abmahnung soll dem Arbeitnehmer Gelegenheit geben, sein Verhalten zu ändern. Erst bei einem erneuten Fehlverhalten droht daher eine verhaltensbedingte Kündigung. Diese wiederholte Pflichtverletzung muss auch mit dem abgemahnten Fehlverhalten übereinstimmen.
Beispiel:
Arbeitgeber B hat Arbeitnehmer A wegen Unpünktlichkeit abgemahnt. Wenig später erwischt B den A, wie dieser während der Arbeitszeit privat telefoniert. B kündigt dem A daraufhin. Zu Recht? Die Kündigung ist rechtswidrig. B hat A zwar abgemahnt, jedoch nur wegen seiner Unpünktlichkeit. Eine Kündigung wegen des Telefonats bedarf einer erneuten Abmahnung.
Oftmals muss der Arbeitnehmer vor einer Kündigung sogar nicht nur einmal, sondern mehrfach abgemahnt werden. Die genaue Anzahl der Abmahnungen hängt von der Schwere des Fehlverhaltens ab. Bei leichten Verspätungen können daher sogar drei oder mehr Abmahnungen erforderlich sein.
Es mag überraschen, aber die Abmahnung hat für den Arbeitnehmer auch etwas Gutes: Mit ihr gibt der Arbeitgeber zu erkennen, dass er wegen des abgemahnten Verhaltens nicht mehr kündigen wird. Er kann sich also nicht einfach umentscheiden und auf die Abmahnung eine Kündigung „draufsetzen“. Dazu ist er erst berechtigt, wenn der Arbeitnehmer das Fehlverhalten wiederholt oder der Arbeitgeber ganz neue Tatsachen über das abgemahnte Verhalten erfährt.
3. Ist eine Kündigung wirksam?
Eine verhaltensbedingte Kündigung ist zwar grundsätzlich nur nach einer oder mehreren Abmahnungen erlaubt.
Beispiel:
Arbeitnehmer A erscheint mehrmals ein paar Minuten zu spät zur Arbeit. Arbeitgeber B ist erbost und kündigt dem A aufgrund seiner Unpünktlichkeit. Ist die Kündigung wirksam? Nein. In Betracht kommt nur eine verhaltensbedingte Kündigung. Sie kann aber in aller Regel erst nach einer Abmahnung ergehen. B hätte den A daher zunächst (hier wohl mehrfach) abmahnen müssen.
Es gibt jedoch Ausnahmen.
Wiegt das Fehlverhalten des Arbeitnehmers so schwer, dass dem Arbeitgeber die Zusammenarbeit schlicht nicht mehr zugemutet werden kann, ist auch eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung möglich.
Im Extremfall kann diese Kündigung dann sogar fristlos erfolgen. Die hier genannten Pflichtverletzungen rechtfertigen häufig eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung:
- Diebstahl
- Sexuelle Belästigung
- Körperverletzung
- Beleidigung
- Massiver Arbeitszeitbetrug
- Beharrliche Arbeitsverweigerung
Der Arbeitgeber muss auch dann nicht abmahnen, wenn der Arbeitnehmer klar macht, dass er sein Verhalten ohnehin nicht ändern wird.
Beispiel:
Arbeitnehmer A beleidigt einen Kunden. Arbeitgeber B bittet ihn, zukünftig korrekte Umgangsformen zu zeigen. A meint jedoch, dass er sich nicht den Mund verbieten lassen werde und ihm egal sei, was B dagegen unternehme.
Entscheidend ist hier aber immer der Einzelfall. Einem langjährigen Mitarbeiter muss unter Umständen mehr nachgesehen werden, als einem neu eingestellten Arbeitnehmer.
Übrigens: Nur vor der verhaltensbedingten Kündigung ist eine Abmahnung erforderlich. Kündigt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer aufgrund von personen- oder betriebsbedingten Gründen, muss er zuvor nicht abmahnen.
Beispiel 1:
Arbeitnehmerin C ist auf lange Zeit arbeitsunfähig erkrankt. Ihr Arbeitgeber kündigt sie daher. Hätte er zunächst eine Abmahnung aussprechen müssen?
Nein, bei einer Krankheit handelt es sich nicht um ein Verhalten des Arbeitnehmers. Es kommt daher nur eine personenbedingte Kündigung in Frage, die keine Abmahnung erfordert.
Beispiel 2:
Arbeitnehmer D ist bei Arbeitgeber E tätig. Dieser plant einen umfassenden Stellenabbau und möchte D daher kündigen. Ist eine Abmahnung nötig?
Nein, hierbei handelt es sich um eine betriebsbedingte Kündigung. Mit dem Verhalten des D hat das nichts zu tun, sondern nur mit einer unternehmerischen Entscheidung des E.
4. Soll ich den Erhalt eines Abmahschreibens bestätigen?
Oftmals wird der Arbeitgeber den Arbeitnehmer drängen, das Schreiben zu unterzeichnen und sein Fehlverhalten zu bestätigen. Hier ist jedoch Vorsicht geboten!
Der Arbeitnehmer hat grundsätzlich keinen Vorteil von der Unterschrift. Ganz im Gegenteil: In einem späteren Kündigungsschutzprozess wird der Arbeitgeber behaupten, dass der Arbeitnehmer das Fehlverhalten eingestanden hätte. Die Erfolgsaussichten des Arbeitnehmers vor Gericht sind damit beeinträchtigt.
5. Ist eine mündliche Abmahnung wirksam?
Eine Abmahnung kann auch mündlich ergehen. Eine bestimmte Form ist nicht vorgeschrieben. Gerade wenn sich der Arbeitgeber akut an einem Fehlverhalten des Arbeitnehmers stört, wird er eine mündliche Abmahnung aussprechen.
Im Regelfall wird die Abmahnung aber aus Beweisgründen schriftlich festgehalten. Dazu ist Arbeitgebern dringend zu raten. Andernfalls würde in einem späteren Kündigungsschutzprozess der Nachweis der Abmahnung schwerfallen.
6. Was tun gegen eine ungerechtfertigte Abmahnung?
Der Arbeitnehmer sollte einer Abmahnung nicht zustimmen und schnellstmöglich Belege sammeln, dass er das vorgeworfene Verhalten nicht begangen hat. In Betracht kommt hier grundsätzlich alles, was die Darstellung des Arbeitgebers widerlegt. Beispielsweise sollte der Arbeitnehmer Mail-, Brief- und Chatverkehr sichern und Kollegen befragen.
Nun stehen dem Arbeitnehmer verschiedene Möglichkeiten offen, um die Situation zu entschärfen und die Abmahnung aus der Welt zu schaffen.
- Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass eine Gegendarstellung zur Abmahnung in die Personalakte aufgenommen wird (§ 83 II BetrVG).
- Der Betriebsrat kann eingeschaltet werden (§ 84 BetrVG).
Der Betriebsrat wird sich die Situation nun genauer ansehen und mit dem Arbeitgeber über die Rücknahme sprechen.
Führt auch die Einschaltung des Betriebsrats nicht zum gewünschten Ergebnis, muss der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber Klage erheben. Ob sich das lohnt, sollte ein Anwalt für Arbeitsrecht bewerten.