Muss der Arbeitgeber Homeoffice anbieten?
Das Thema Homeoffice wird immer relevanter
Spätestens seit der Pandemie wird das Thema Homeoffice immer relevanter. Die wichtigsten Fragestellungen haben wir hier für Sie zusammengefasst.
1. Muss der Arbeitgeber Homeoffice anbieten?
Hier kommt es auf den Einzelfall an. Ein Recht auf Homeoffice kann sich ergeben aus:
a. Anspruch aus Gesetz
Einen gesetzlichen Anspruch auf Homeoffice gibt es grundsätzlich nicht. Vielmehr darf der Arbeitgeber aufgrund der Regelung in § 106 Gewerbeordnung (GewO) selbst bestimmen, an welchem Ort die Arbeitnehmer ihre Tätigkeiten ausführen.
Allerdings kommt gerade während der Corona-Pandemie eine Ausnahme in Betracht. Bestehen keine verbindlichen Regelungen zum Homeoffice, bleibt dem Arbeitnehmer eventuell ein Anspruch auf sogenannte ermessensfehlerfreie Entscheidung. Letzteres ist eher bekannt aus der behördlichen Entscheidungspraxis, gilt hier jedoch auch für den Arbeitgeber. Dieser muss zwischen seinen Interessen und denen des Arbeitnehmers abwägen. Unter Umständen ergibt diese Abwägung, dass der Wechsel ins Homeoffice die einzig rechtlich vertretbare Möglichkeit ist.
In der Literatur wird deshalb vielfach davon ausgegangen, dass Arbeitgeber den Wechsel ins Homeoffice anordnen müssen. Dies gilt natürlich allenfalls unter der Voraussetzung, dass die Arbeit aus den eigenen vier Wänden überhaupt möglich ist. Bisher haben sich einige Gerichte gegen diese Ansicht entschieden (insbes. ArbG Augsburg, 3 Ga 9/20). Eindeutig ist die Rechtslage hier allerdings noch nicht.
Weitere Ausnahmen kann es für schwerbehinderte Arbeitnehmer und solchen in Bundeseinrichtungen geben (unabhängig der Corona-Pandemie). Diese haben eventuell einen Anspruch auf Homeoffice.
b. Vereinbarung
Ein direkter Anspruch auf Homeoffice kann sich aus Vereinbarungen mit dem Arbeitgeber ergeben. Dazu zählen der Arbeitsvertrag, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen. Ob eine dieser Vereinbarungen wirklich einen Anspruch auf Homeoffice enthält oder doch nur Möglichkeiten der Arbeitsplatzverlegung regelt, sollte individuell mit einem Anwalt besprochen werden. Besonders häufig wird der Wechsel ins Homeoffice per Betriebsvereinbarung geregelt.
c. Betriebliche Übung
Ebenfalls möglich ist ein Anspruch aus sogenannter betrieblicher Übung. Das heißt, bestimmte Begünstigungen vom Arbeitgeber, die dieser über längere Zeit hinweg zugesteht, werden verbindlich. Bekannt ist dies oft vom Weihnachtsgeld.
Überträgt man diese Regelung, hieße das, dass der Arbeitnehmer bereits lange Zeit und mit Duldung des Arbeitgebers im Homeoffice arbeiten müsste. Wie lange die Zeit im Homeoffice bereits zu laufen hat, um einen solchen Anspruch in Betracht ziehen zu können, ist vom Einzelfall abhängig. Wenige Monate reichen wohl nicht aus.
Achtung: Während der Corona-Pandemie ist der Wechsel ins Homeoffice in vielen Betrieben nur als vorübergehende Maßnahme zum Gesundheitsschutz gedacht. Man wird davon ausgehen müssen, dass sich daraus keine betriebliche Übung ableiten lässt. Schließlich ist für die Arbeitnehmer meist ersichtlich, dass der Arbeitgeber diese „Begünstigung“ nur vorübergehend gewähren will.
d. Gleichbehandlungsgrundsatz
Ein ähnlicher Fall kann sich aus dem sogenannten arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ergeben. Wenn den Kollegen Homeoffice gestattet wird, darf ein Antrag eines weiteren Arbeitnehmers nicht ohne Weiteres abgelehnt werden. Voraussetzung ist allerdings, dass die Tätigkeit des Antragstellers mit der der Kollegen im Homeoffice vergleichbar ist. Der Arbeitgeber muss dann sachliche Gründe nennen, warum gerade dieser Arbeitnehmer vor Ort im Betrieb arbeiten soll.
Beispiel: A arbeitet im kaufmännischen Bereich des Unternehmens B&C. Seine Kollegen aus dem gleichen Bereich, die Kinder im Alter bis zu 11 Jahren zu betreuen haben, dürfen im Homeoffice arbeiten. Den Antrag des A auf Homeoffice lehnt sein Vorgesetzter ab, da er keine betreuungsbedürftigen Kinder habe.
2. Müssen Arbeitnehmer ins Homeoffice wechseln?
a. Außerhalb der Corona-Pandemie
Auch wenn der Arbeitgeber nach § 106 GewO grundsätzlich den Arbeitsort bestimmen und damit auch ändern kann, erstreckt sich dieses Recht nicht auf den häuslichen Arbeitsplatz. Denn die Wohnung des Arbeitnehmers ist vom Grundgesetz besonders geschützt. Der Arbeitnehmer muss also zustimmen, wenn er von zu Hause aus arbeiten soll. Das gilt auch, wenn er bereits teilweise im Homeoffice arbeitet und der Arbeitgeber ihn nun ausschließlich an den häuslichen Arbeitsplatz schicken möchte.
Beispiel: Im Arbeitsvertrag der D ist geregelt, dass sie zwei Tage pro Woche im Homeoffice arbeitet. Nun möchte ihr Arbeitgeber den Büroplatz anderweitig vergeben und sagt D, sie solle die ganze Woche von zu Hause aus arbeiten. Wenn D das nicht möchte oder kann, ist die Anweisung ihres Arbeitgebers nicht verpflichtend.
Eine entsprechende Zustimmung zum Homeoffice liegt insbesondere vor, wenn die Arbeit in den eigenen vier Wänden im Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder in der Betriebsvereinbarung ausdrücklich vereinbart ist.
b. Während der Corona-Pandemie
Natürlich gilt der Schutz des Grundgesetzes auch während der Pandemie. Allerdings lässt sich das Grundrecht auf Schutz der Wohnung einschränken – wie fast jedes Grundrecht. In der dazu erforderlichen Interessenabwägung ist dann das Grundrecht des Arbeitgebers auf unternehmerische Freiheit zu berücksichtigen.
So ist nicht ausgeschlossen, dass Arbeitnehmer im äußersten Fall der Weisung folgen müssen. Dies kommt aber allenfalls ausnahmsweise in Betracht. Eindeutig geklärt ist die Rechtslage hier noch nicht.
Müssen Arbeitnehmer ins Homeoffice wechseln?
3. Wann müssen Arbeitnehmer zurück ins Büro kommen?
Seien es das Ende der Pandemie oder abfallende Leistungen – es kann viele Gründe geben, warum ein Arbeitnehmer vom Homeoffice zurück an den betrieblichen Arbeitsplatz soll. Ob der Arbeitgeber die Rückkehr an den Standort anordnen darf, hängt vor allem davon ab, auf welcher Grundlage das Homeoffice eingeführt wurde.
a. Wechsel ins Homeoffice basierte auf Direktionsrecht
Ohne einvernehmliche Lösung bleibt hier nur der Weg über das Direktionsrecht des Arbeitgebers. Dabei hat der Arbeitgeber die Interessen des jeweiligen Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Dazu zählen etwa:
- Die privaten Lebensumstände
- Der Gesundheitsschutz
- Die Erfordernisse des Betriebs
Beispiel: Befinden sich kaum Kollegen am Standort und steht dem Arbeitnehmer ein eigenes Büro zur Verfügung, ist der Gesundheitsschutz kaum beeinträchtigt. Die privaten Lebensumstände fallen umso stärker ins Gewicht, wenn der Arbeitnehmer Kinder über Tag betreuen muss.
Tipp: Nur sehr gewichtige Gründe können den Arbeitgeber daran hindern, den Mitarbeiter zurück ins Büro zu holen. Dies bleibt die Ausnahme. Sie müssen wohl auch im Zusammenhang mit den Besonderheiten der Pandemie stehen (insbes. Gesundheitsgefahren).
b. Homeoffice beruht auf Vereinbarung
Auch hinsichtlich der Rückkehr ist auf die entsprechende Regelung im Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder in der Betriebsvereinbarung zu achten. Ist die Tätigkeit im Homeoffice vorbehaltlos genehmigt worden, bleibt dem Arbeitgeber dann grundsätzlich nur der Weg über einen Änderungsvertrag oder eine Änderungskündigung. Die Änderungskündigung unterfällt dabei den Schutzvorschriften des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG), was die Umsetzung deutlich erschwert.
Wann müssen Arbeitnehmer zurück ins Büro kommen?
4. Welche Rahmenbedingungen sollten geregelt werden?
Ist eine Einigung über das Arbeiten im Homeoffice gefunden, sollten sogleich die Rahmenbedingungen geklärt werden. Denn Aspekte wie Kosten für den Arbeitsplatz, Arbeitsschutz und Datenschutz werden im Betrieb vom Arbeitgeber geregelt. Den Arbeitsvertragsparteien sind diese Themen beim Wechsel zum Homeoffice dann oft nicht präsent.
a. Kosten
Der Arbeitgeber muss grundsätzlich auch im Homeoffice für Einrichtung und Unterhalt des Arbeitsplatzes aufkommen, wenn keine andere Einigung getroffen wurde. Das umfasst zum Beispiel:
- Büromöbel
- Rechner
- Telefon
- Miete
- Strom
Aber auch Fahrtkosten und Fahrtzeiten, die durch den Weg zum Betrieb entstehen, muss der Arbeitgeber tragen, sofern auch hier nichts anderes vereinbart wurde. Von diesen Kosten bleibt der Arbeitgeber jedoch verschont, wenn nur ein Teil der Woche im Homeoffice verbracht werden soll. Die Fahrtzeiten werden dann als normale Wegezeiten angesehen, der Fahrtweg fällt wie üblich dem Arbeitnehmer zur Last.
Unter Umständen kann der Arbeitnehmer allerdings auf seinen Kosten für das Homeoffice sitzen bleiben. Dieses Risiko besteht, wenn der Wechsel ins Homeoffice in erster Linie auf seine Initiative zurückzuführen ist. Aus Sicht des Arbeitnehmers empfiehlt es sich in diesen Fällen einmal mehr, die Kostenverteilung klar zu regeln.
b. Arbeitsschutz
Der Arbeitsschutz muss ebenfalls beachtet werden. Auch hier trifft die Pflicht zur Erfüllung der gesetzlichen Vorschriften zunächst den Arbeitgeber. Die Vorschriften umfassen den Schutz des Lebens, des Körpers sowie der Psyche (§§ 3, 4 Arbeitsschutzgesetz).
Da der Arbeitgeber im Normalfall nicht weiß, wie der häusliche Arbeitsplatz eingerichtet ist, können Schutzmaßnahmen kaum angepasst werden. Dem lässt sich im Rahmen einer sogenannten Gefährdungsbeurteilung entgegenwirken. Diese Beurteilung kann der Arbeitgeber vornehmen, indem er – nach vorheriger Zustimmung – das Homeoffice des Arbeitnehmers besucht. Alternativ kann er den Arbeitnehmer anweisen, ihm die notwendigen Informationen zur Verfügung zu stellen.
Sind Schutzmaßnahmen erforderlich, hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer entsprechend mit ihrer Umsetzung zu beauftragen. Die Kosten hierfür trägt dann grundsätzlich der Arbeitgeber.
Auch die Beachtung des Arbeitszeitgesetzes zählt zum Arbeitsschutz. Der Arbeitnehmer muss also auch zu Hause Pausen und Ruhezeiten sowie Regeln zu Überstunden beachten. Die Erfassung der Überstunden bzw. Arbeitszeit kann der Arbeitgeber allerdings auf den Arbeitnehmer übertragen.
c. Datenschutz
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Datenschutz. Die gesetzlichen Vorgaben lassen es grundsätzlich zu, dass betrieblich genutzte personenbezogene Daten von zu Hause aus bearbeitet werden. Der Arbeitgeber muss jedoch Vorkehrungen treffen, um die Sicherheit der Datenverarbeitung zu gewährleisten.
Das gilt insbesondere mit Blick auf Mitbewohner, die jederzeit Zugriff auf die Räumlichkeiten haben. Denkbar sind u.a. die Einrichtung von Passwörtern oder andere Verschlüsselungen.
5. Welche Rechte hat der Betriebsrat?
Der Arbeitsplatz im häuslichen Büro wird zum Betrieb des Arbeitgebers gezählt. Dementsprechend erstrecken sich auch die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats auf die Tätigkeit im Homeoffice.
Schon bei der Einführung von Homeoffice ist der Betriebsrat ins Boot zu holen. Bei einer Betriebsvereinbarung ist dies ohnehin der Fall. Aber auch unabhängig davon muss der Betriebsrat beteiligt werden, weil der Wechsel ins Homeoffice in aller Regel eine Versetzung im Sinne des § 99 BetrVG ist.
Nach der Einführung hat der Betriebsrat insbesondere folgende Angelegenheiten mitzubestimmen:
- Inwiefern darf der Arbeitnehmer betriebliche Einrichtungen des Arbeitgebers auch privat nutzen (Telefon, Internet, Mailadressen)?
- Wann beginnt und endet die Arbeitszeit? Kann die übliche Arbeitszeit vorübergehend verkürzt oder verlängert werden?
- Kann und soll der Rechner im Homeoffice zur Überwachung von Arbeitszeit und Arbeitsleistung verwendet werden?
- Wie sollen die Arbeitsschutzvorschriften umgesetzt werden?
6. Was regelt das neue Homeoffice-Gesetz?
Die Bundesregierung plant seit Längerem neue gesetzliche Regelungen für die mobile Arbeit und das Homeoffice. Bisher (Stand: Januar 2021) liegen nur Gesetzesentwürfe vor, u. a. der Entwurf zum Mobile-Arbeit-Gesetz. Diese beinhalten keinen Anspruch auf Homeoffice. Es soll allenfalls das Recht auf Auskunft und Erörterung eingeführt werden.
Der Arbeitgeber hat demnach mit dem Arbeitnehmer zu besprechen, ob sein Wunsch nach Homeoffice möglich ist und welche Gründe dafür bzw. dagegen sprechen.
Weitere Neuerungen sind die Sicherstellung des Arbeitsschutzes sowie der Unfallversicherung und der genauen Arbeitszeiterfassung im Homeoffice.
7. Fazit
- Einen Anspruch auf Homeoffice gegenüber dem Arbeitgeber gibt es meist nicht. Ausnahmen können durch entsprechende Vereinbarungen, betriebliche Übung oder aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz entstehen.
- Der Arbeitgeber darf seine Arbeitnehmer ohne Zustimmung grundsätzlich nicht zur Arbeit im Homeoffice verpflichten. Die Zustimmung kann auch im Arbeits-, Tarifvertrag oder in der Betriebsvereinbarung festgehalten sein. Während der Corona-Pandemie könnte eine einseitige Anordnung ausnahmsweise wirksam sein.
- Der Arbeitgeber muss grundsätzlich die Kosten für den Arbeitsplatz tragen und den Arbeits- sowie Datenschutz sicherstellen.
- Auch der Betriebsrat hat weiterhin umfassende Mitbestimmungspflichten, die die Arbeit im Homeoffice betreffen. Schon an der Einführung ist er zu beteiligen.
- Der Gesetzesentwurf zum Mobile-Arbeit-Gesetz sieht statt eines Anspruchs auf Homeoffice nur einen Anspruch auf Erörterung der Arbeit am häuslichen Arbeitsplatz vor.