Sechs Fragen zum Urlaub im Arbeitsvertrag
Urlaub – für viele die „schönste Zeit des Jahres“. Dem steht nichts im Wege, wenn Arbeitnehmer und Arbeitgeber die folgenden Regeln beachten. Kommen Konflikte rund um das Thema Urlaub auf, steht Ihnen Herr Dr. Drees als Fachanwalt für Arbeitsrecht kompetent zur Seite.
1. Wie viel Urlaub steht mir zu?
Gesetzlich stehen jedem Arbeitnehmer, der an fünf Tagen der Woche arbeitet, 20 Urlaubstage zu. Pro Arbeitstag in der Woche gibt es also vier Urlaubstage im Jahr. Viele Arbeits- oder Tarifverträge gewähren darüber hinaus mehr Urlaub (häufig insgesamt 28 oder 30 Tage). Jugendliche und schwerbehinderte Arbeitnehmer haben ohnehin schon gesetzlich mehr Urlaubstage.
Wer allerdings noch keine sechs Monate für den Arbeitgeber tätig ist, kann nicht gleich mehrere Wochen verreisen. Pro Monat der Zusammenarbeit dürfen 1/12 des Jahresurlaubs genommen werden.
Während des Urlaubs wird das Gehalt natürlich weiter gezahlt.
2. Muss der Arbeitgeber Urlaub genehmigen?
Der Arbeitnehmer hat zwar einen gesetzlichen (und eventuell zusätzlich einen vertraglichen) Anspruch auf Urlaub. Er kann sich aber nicht selbst beurlauben. Achtung: Selbstbeurlaubung kann im schlimmsten Fall ein Grund für eine fristlose Kündigung sein!
Der Arbeitgeber muss den Urlaubswunsch des Arbeitnehmers berücksichtigen, ihm aber nicht zwangsläufig nachgeben. Sofern dringende betriebliche Gründe oder Urlaubswünsche anderer Mitarbeiter gegen den Antrag des Arbeitnehmers sprechen, darf der Arbeitgeber ablehnen.
Dringende betriebliche Gründe sind z.B.:
- personelle Engpässe in der Hauptsaison
- eine plötzliche und unvorhersehbare erhöhte Nachfrage
- der durch Kündigung, Urlaub oder Krankheit bedingte Ausfall anderer Arbeitnehmer
- Betriebsferien zu einer anderen Zeit
Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer können unter folgenden sozialen Gesichtspunkten Vorrang haben:
- Ferien der schulpflichtigen Kinder
- Urlaub von Partner/Familienangehörigen
- Alter
- Dauer der Betriebszugehörigkeit
- Zurückstellen von Urlaubswünschen in den Vorjahren
Aber: Der Arbeitgeber muss sorgfältig im Einzelfall abwägen. Nur weil eines der oben genannten Beispiele erfüllt ist, bedeutet dies nicht automatisch, dass der (andere) Arbeitnehmer zurückstecken muss. Es kommt immer auf den Einzelfall an.
Beispiel:
Der kinderlose Arbeitnehmer A möchte während der Sommerferien Urlaub nehmen. Er kann Vorrang gegenüber Arbeitnehmer B mit zwei Kindern haben, wenn A z.B. schon viel länger als B im Betrieb ist, in den letzten Jahren nie seine Urlaubswünsche erfüllt wurden und er in den Sommerferien seine Nichten und Neffen betreuen soll.
Es gibt aber einen Sonderfall: Wenn der Arbeitnehmer nach einer medizinischen Vorsorgemaßnahme oder einer Reha Urlaub beantragt, muss der Arbeitgeber ihm zu diesem Zeitpunkt Urlaub gewähren.
3. Was passiert bei Krankheit im Urlaub?
Laut § 9 BUrlG werden Krankheitstage im Urlaub nicht als Urlaubstage gerechnet, wenn der Arbeitnehmer mit einem ärztlichen Attest seine Krankheit beweisen kann.
4. Gibt es halbe Urlaubstage?
Grundsätzlich: Nein. Eine Ausnahme kann es nur geben, wenn
- es sich um vertragliche Urlaubstage handelt, die über den gesetzlichen Anspruch hinausgehen (s.o.) und
- der Arbeitsvertrag eine Regelung vorsieht, nach der der Arbeitnehmer auch halbe Urlaubstage nehmen kann.
Diese Voraussetzungen ergeben sich aus dem Urteil vom 06.03.2019 des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg, Aktenzeichen 4 Sa 73/18.
Wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer für halbe Tage beurlaubt, ohne dass die genannten Kriterien vorliegen, so kann der Arbeitnehmer die (gesetzlichen) Urlaubstage im Nachhinein erneut verlangen – diesmal als ganze Tage.
5. Wann verfallen offene Urlaubstage?
Allgemein verfallen offene Urlaubstage mit dem Ende des Kalenderjahres. Unter engen Voraussetzungen (dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe) kann der Arbeitnehmer die verbleibenden Urlaubstage auch bis zum 31.03. des Folgejahres aufbrauchen.
Dies ist z.B. möglich, wenn der Arbeitnehmer den Urlaub nicht nehmen konnte, weil er arbeitsunfähig erkrankt war. In Arbeits- und Tarifverträgen können auch andere Regelungen zum Verfall des Urlaubs vereinbart werden.
Nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 19.02.2019, Aktenzeichen: 9 AZR 541/15 sind die Voraussetzungen für den Verfall nun arbeitnehmerfreundlicher: Den Arbeitgeber trifft die Pflicht, auf den Arbeitnehmer zuzugehen. Er muss
- den Arbeitnehmer rechtzeitig und transparent darüber aufklären, dass sein Urlaub zu verfallen droht, und
- ihn notfalls förmlich und offiziell dazu auffordern, den Urlaub zu nehmen.
Dies muss er vor Gericht beweisen können. Wenn er dieser Verpflichtung nicht nachkommt, verfällt der Urlaub nicht am eigentlichen Stichtag. Wann der Urlaubsanspruch stattdessen verfallen soll, ist richterlich noch nicht abschließend geklärt. Das LAG Köln hat bereits auf drei Jahre alte Urlaubstage zurückgegriffen.
6. Was geschieht mit Resturlaub bei Kündigung?
Bis zum Ablauf der Kündigungsfrist kann der Urlaub noch genommen werden. Danach wandelt sich der Anspruch gem. § 7 Abs. 4 BurlG in einen Zahlungsanspruch um. Die Höhe bestimmt sich nach § 11 BurlG: Quartalsgehalt x Anzahl der ausstehenden Urlaubstage : Zahl der Arbeitstage in den letzten 13 Wochen.
Beispiel:
A verdiente in den letzten 13 Wochen durchschnittlich 1.000€ brutto pro Woche bei fünf Arbeitstagen pro Woche. Bei Kündigung stehen ihm noch 4 Urlaubstage zu. 3.000€ x 4 : 65 = 184, 62 €.
All dies gilt unabhängig davon, wie das Arbeitsverhältnis beendet worden ist. Wenn der Arbeitnehmer selbst kündigt, heißt das also nicht, dass er auf seinen Resturlaub verzichtet.
Die Parteien können aber auch eine Vereinbarung treffen, den restlichen Urlaubsanspruch pauschal durch eine Freistellung bis zum Ende der Kündigungsfrist oder durch eine Abfindung zu entschädigen. Dies geschieht in einem Abwicklungs- oder Aufhebungsvertrag.
7. Fazit
- Gesetzlich stehen dem Arbeitnehmer 20 Urlaubstage im Jahr zu, die durch vertragliche Regelung aufgestockt werden können.
- Der Arbeitnehmer kann sich nicht selbst beurlauben, sondern braucht die Zustimmung des Arbeitgebers.
- Dieser darf nur ablehnen, wenn betriebliche Gründe oder Urlaubswünsche anderer Mitarbeiter dem Urlaubsantrag entgegenstehen.
- Urlaubstage, an denen der Arbeitnehmer krank ist, können nachgeholt werden.
- Halbe Urlaubstage gibt es grundsätzlich nicht, außer es gibt eine spezielle vertragliche Vereinbarung dazu.
- Urlaubstage verfallen grundsätzlich zum Jahresende bzw. zum 31.03. des Folgejahres. Dies gilt allerdings nur, wenn der Arbeitgeber seinen Aufklärungspflichten nachgekommen ist.