Keine Gehaltserhöhung nach Kündigung erhalten?
Eine Kündigung sorgt bereits für Ärger. Noch frustrierender ist es, wenn Ihre Kollegen während Ihrer Kündigungsfrist eine Gehaltserhöhung erhalten, Sie aber nicht. Nun stellt sich die Frage, ob Sie als gekündigter Arbeitnehmer trotzdem einen Anspruch auf die Erhöhung haben.
Gehaltserhöhung nach Kündigung ohne Tarifbindung
Grundsätzlich darf der Arbeitgeber das Gehalt von einzelnen Mitarbeitern frei bestimmen. Ihr Arbeitgeber kann also grundsätzlich mit Ihren Kollegen ein höheres Gehalt vereinbaren als mit Ihnen.
Hinsichtlich der Gleichbehandlung von männlichen und weiblichen Mitarbeitern hat das Bundesarbeitsgericht zuletzt allerdings die Maßstäbe verschärft, die so auch für Gehaltserhöhungen während der Kündigungsfrist gelten können:
Die Richter entschieden, dass eine Frau Anspruch auf gleiches Entgelt habe, wenn der Arbeitgeber männlichen Kollegen aufgrund ihres Geschlechts ein höheres Entgelt zahle. Das gelte auch dann, wenn nur der männliche Kollege ein höheres Entgelt fordere und der Arbeitgeber dieser Forderung nachgebe.
Eine Außendienstmitarbeiterin klagte, da ihr Arbeitgeber ihr weniger Gehalt zahlte als einem fast gleichzeitig eingestellten männlichen Kollegen, obwohl sie die gleiche Arbeit ausübten. Das Gericht war der Auffassung, dass die Frau aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert worden sei und somit einen Anspruch auf gleiche Bezahlung gemäß dem Gleichstellungsgesetz habe. Der Arbeitgeber wurde zur Zahlung des Differenzbetrags zwischen dem Gehalt der Frau und dem der männlichen Kollegen verurteilt.
Wenn der Arbeitgeber jedoch die Gehaltserhöhung an allgemeine Kriterien knüpft, muss er sämtliche vergleichbaren Mitarbeiter gleichbehandeln. Wenn er also generell die Gehälter in der Produktion erhöhen möchte, muss der Arbeitgeber alle Mitarbeiter in der Produktion gleichbehandeln.
Außerdem muss der Arbeitgeber bei der Auswahl der Gruppen, die von der Gehaltserhöhung profitieren, darauf achten, dass die Gruppenbildung nicht willkürlich oder nach unsachlichen Kriterien erfolgt. Notwendig ist ein legitimer Zweck zur Unterscheidung.
Wenn der Arbeitgeber die Gehaltserhöhung nach solchen allgemeinen Kriterien vornimmt, haben alle betroffenen Arbeitnehmer grundsätzlich einen Anspruch auf Gehaltserhöhung – auch dann, wenn Sie bereits gekündigt wurden und die Kündigungsfrist noch läuft.
Um sicherzustellen, dass die Gruppenbildung nicht willkürlich oder nach unsachlichen Kriterien erfolgt ist, haben Sie als Arbeitnehmer einen Anspruch auf Auskunft über die Unterscheidungskriterien. Der Arbeitgeber muss Ihnen die Kriterien mitteilen, damit Sie gegen eine mögliche Ungleichbehandlung vorgehen können.
In jedem Fall sollten Sie sich anwaltlich beraten lassen, um Ihre Ansprüche zu prüfen und durchzusetzen. Als erfahrener Rechtsanwalt im Arbeitsrecht stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung und berate Sie zu Ihren rechtlichen Möglichkeiten.
Was ist Tarifbindung?
Rund die Hälfte der Gehälter in Deutschland werden nicht von Arbeitgeber und Mitarbeiter, sondern von den Tarifvertragsparteien verhandelt. Man spricht vom Tariflohn. Der Arbeitsvertrag verweist dann hinsichtlich des Gehalts auf den entsprechenden Tarifvertrag.
Hier kommt es regelmäßig zu Änderungen und Gehaltserhöhungen, weil Gewerkschaft und Arbeitgeber(verband) in näher bestimmten Abständen über neue Tarifverträge verhandeln.
Zunächst sei erklärt, wer von den Gehaltserhöhungen profitiert. Wesentliche Voraussetzung ist, dass sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer tarifgebunden sind. Das ist insbesondere in diesen Konstellationen der Fall:
Tarifbindung per Mitgliedschaft
Der Arbeitgeber ist Mitglied im Arbeitgeberverband, Sie sind Mitglied der entsprechenden Gewerkschaft. Ggf. handelt es sich auch um einen Haustarifvertrag; dann muss der Arbeitgeber nicht Teil des Arbeitgeberverbands sein, denn er hat den Tarifvertrag selbst ausgehandelt.
Gleichheitsgrundsatz
Wenn Ihr Arbeitgeber tarifgebunden ist, Sie aber nicht Gewerkschaftsmitglied sind, können Sie ggf. trotzdem von der Gehaltserhöhung profitieren. Das ist grundsätzlich dann der Fall, wenn der Arbeitgeber die Tariferhöhung auch auf alle anderen vergleichbaren Nicht-Gewerkschaftsmitglieder im Unternehmen anwendet. Der Arbeitgeber ist dann wegen des Gleichheitsgrundsatzes verpflichtet, auch Ihnen das höhere Entgelt zu zahlen.
Verweisung auf Tarifvertrag im Arbeitsvertrag
Ihr Arbeitsvertrag verweist auf den Tarifvertrag, dessen Lohn erhöht wurde. Hier ist allerdings entscheidend, wie auf den Tarifvertrag verwiesen wird. Sie profitieren nur im Rahmen einer sog. dynamischen Verweisung von der Erhöhung. Diese kann etwa lauten „Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach den im Betrieb oder Betriebsteil geltenden Tarifverträgen in ihrer jeweiligen Fassung“. Bei einer statischen Verweisung bleibt es hingegen bei dem alten Tariflohn: „Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach Tarifvertrag … in seiner Fassung vom…“
Allgemeinverbindlichkeitserklärung
Ggf. hat das Bundesarbeitsministerium den Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt, weil dies im öffentlichen Interesse lag. Hier finden Sie ein Verzeichnis der aktuell für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge.
Gehaltserhöhung nach Kündigung bei Tarifbindung
Es kann vorkommen, dass ein Tarifvertrag mit höherem Gehalt in Kraft tritt, wenn Sie bereits gekündigt wurden und nur noch während Ihrer Kündigungsfrist beschäftigt sind.
Beispiel:
Sie werden am 2.3. zum 31.7. gekündigt. Bis zum 31.7. arbeiten Sie also noch weiter und werden weiterbezahlt (Kündigungsfrist). Am 1.5. tritt ein Tarifvertrag in Kraft, wonach Sie monatlich 200€ mehr verdienen.
Sie profitieren von diesen Gehaltserhöhungen selbstverständlich auch während Ihrer Kündigungsfrist. Im Beispiel stehen Ihnen also für Mai, Juni und Juli jeweils 200€ mehr zu.
Daneben kommt es gelegentlich zu diesem komplizierten Beispielsfall:
Wir nehmen erneut an, dass Sie am 2.3. zum 31.7. gekündigt werden. Gewerkschaft und Arbeitgeberverband verhandeln länger als geplant über einen neuen Tarifvertrag. Sie beschließen am 1.10. eine Gehaltserhöhung von 200€ pro Monat, die rückwirkend ab dem 1.5. gelten soll.
Zunächst: Ob eine Gehaltserhöhung per Tarifvertrag rückwirkend beschlossen werden kann, soll hier nicht näher betrachtet werden. Sie werden von Ihren Kollegen erfahren, ob der Arbeitgeber die Rückwirkung anerkennt und auch für die Vergangenheit die Gehälter erhöht.
Wichtig ist dann für Sie, ob die rückwirkende Gehaltserhöhung auch für Sie gilt, obwohl Sie bei Beschluss des Tarifvertrags am 1.10. gar nicht mehr im Betrieb beschäftigt waren. Das Bundesarbeitsgericht hat in einem solchen Fall zu Ihren Gunsten entschieden. Die rückwirkende Gehaltserhöhung gilt auch für Sie. Allerdings kommt es auf die Auslegung des Tarifvertrags an. Wenn keine gegenteiligen Anhaltspunkte ersichtlich sind, nehmen die Richter eine umfassende Rückwirkung an, auch für ausgeschiedene Mitarbeiter. Das gilt meist auch, wenn der Tarifvertrag nur per Bezugsklausel im Arbeitsvertrag Anwendung findet.
Gehaltserhöhung nach Kündigung verweigert – was tun?
Wenn der Arbeitgeber eine Gehaltserhöhung nach der Kündigung auslässt, sollten Sie Ihren Fall prüfen lassen. Ein erfahrener Fachanwalt für Arbeitsrecht kann für Sie einschätzen, ob Ihnen die Gehaltserhöhung zusteht.
Warten Sie nicht ab! Die meisten Arbeits- und Tarifverträge enthalten sog. Ausschlussfristen. Danach verfallen sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn Sie sie nicht innerhalb einer bestimmten Frist (oft wenige Wochen) geltend machen. Ihr Anspruch auf die Gehaltserhöhung geht dann verloren.
Wenn der Arbeitgeber auch nach außergerichtlichen Verhandlungen die Auszahlung der Gehaltserklärung verweigert, erheben wir für Sie ggf. Klage vor dem Arbeitsgericht. Die Richter werden dann über Ihren Anspruch entscheiden, den Sie nach einem stattgebenden Urteil zwangsweise durchsetzen können. Wenn Sie ohnehin bereits Kündigungsschutzklage wegen Ihrer Entlassung erhoben haben, integrieren wir den Zahlungsanspruch in dieses Verfahren.
Tipp: Denken Sie auch daran, sich offene Überstunden auszahlen zu lassen. Wenn Ihnen eine variable Vergütung zusteht, können Sie außerdem oft den Bonus nach der Kündigung noch durchzusetzen.
Fazit
- Wenn im Unternehmen die Gehälter erhöht werden, steht Ihnen auch nach einer Kündigung oft die Erhöhung zu.
- Das höhere Gehalt können Sie insbesondere verlangen, wenn der Arbeitgeber die Gehälter nach allgemeinen Kriterien erhöht hat.
- Verhandelt der Arbeitgeber hingegen jedes Gehalt individuell, steht Ihnen grundsätzlich keine Gehaltserhöhung nach der Kündigung zu.
- Wenn Ihr Gehalt vom Tarifvertrag bestimmt wird, erhöht sich Ihr Gehalt mit jeder Tariflohnerhöhung – auch während der Kündigungsfrist. Das gilt selbst dann, wenn der Tariflohn rückwirkend erhöht wird.
- Um die Gehaltserhöhung durchzusetzen, sollten Sie sich frühzeitig an einen Fachanwalt für Arbeitsrecht wenden.
Wie unsere Mandanten das Engagement von Dr. Drees bewerten