Kündigung auf ärztlichen Rat: Sperrzeit vermeiden und rechtssicher kündigen
Viele Arbeitnehmer stehen vor der Frage, ob sie ihr Arbeitsverhältnis aus gesundheitlichen Gründen selbst beenden dürfen. Eine falsch vorbereitete Kündigung auf ärztlichen Rat kann aber zur zwölfwöchigen Sperrzeit beim Arbeitslosengeld und finanziellen Nachteilen führen. Auch können nachträgliche Klagen des Arbeitgebers drohen, wenn Ihre Kündigung angreifbar ist.
Erfahren Sie in diesem Beitrag was Sie vor, während und nach einer Kündigung auf ärztlichen Rat beachten sollten.
Was ist eine Kündigung auf ärztlichen Rat?
Kündigung auf ärztlichen Rat bedeutet, dass der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis eigenständig beendet, weil ein Arzt dies aus gesundheitlichen Gründen dringend empfiehlt. Die Kündigung basiert auf einer medizinischen Empfehlung.

Was ist eine Kündigung auf ärztlichen Rat?
Die Kündigung auf ärztlichen Rat ist aber keine gewöhnliche Eigenkündigung. Der zentrale Vorteil dieser speziellen Kündigungsvariante ist es, bei korrekter Ausführung die Sperrzeit beim Arbeitslosengeld zu umgehen.
Wie funktioniert eine Kündigung auf ärztlichen Rat?
Arbeitnehmer können grundsätzlich immer und auch ohne Angabe von Gründen fristgerecht kündigen. Die Umgehung der Sperrzeit erfordert weitere Voraussetzungen, die Sie den nachfolgenden Beitragsabschnitten entnehmen können.
Für die generelle Wirksamkeit Ihrer Kündigung des Arbeitsverhältnisses bedarf es:
- einer schriftliche Kündigungserklärung,
- die Ihrem Arbeitgeber korrekt zugeht.
Beachten Sie außerdem die in Ihrem Fall einschlägige Kündigungsfrist. Wenn in Ihrem Arbeits- oder Tarifvertrag keine spezielle Kündigungsfrist geregelt ist, greift die gesetzliche Kündigungsfrist. Sie beträgt vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats, § 622 Abs. 1 BGB.

Wie funktioniert eine Kündigung auf ärztlichen Rat?
Nur in besonders schweren Fällen ist auch eine außerordentliche (fristlose) Kündigung möglich.
Wichtig: Bei befristeten Arbeitsverträgen ist die ordentliche Kündigung, wenn vertraglich nichts anderes geregelt ist, ausgeschlossen (§ 15 Abs. 4 TzBfG). Sie können also nur außerordentlich kündigen.
Gibt es eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld, wenn ich auf ärztlichen Rat kündige?
Bei korrekter Ausführung nein: Es ist gerade der Zweck der Kündigung auf ärztlichen Rat, die Sperrzeit beim Arbeitslosengeld auszuräumen.
Die Sperrzeit ist in § 159 SGB III geregelt: Zwölf Wochen nach einer freiwilligen Arbeitsaufgabe ist Ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld gesperrt. Wer seine Arbeit ungezwungen aufgibt, soll nicht sofort von Sozialleistungen profitieren.

Gibt es eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld, wenn ich auf ärztlichen Rat kündige?
Ein ärztliches Attest kann diese Sperrzeit verhindern, wenn es die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses glaubhaft macht. Die Kündigung gilt dann nicht mehr als freiwillig und Sie sind berechtigt, sofort Arbeitslosengeld zu fordern.
Es sind aber zahlreiche rechtliche Aspekte zu beachten, die eine vertiefte Auseinandersetzung erfordern. Eine fachanwaltliche Beratung ermöglicht Ihnen strategisches Vorgehen und räumt die zahlreichen Risiken aus.
Wie vermeide ich die Sperrzeit bei der Kündigung auf ärztlichen Rat?
Sie benötigen zur Vermeidung der Sperrzeit und zur Sicherung Ihres Anspruchs auf Arbeitslosengeld:
- ein detailliertes fachärztliches Attest (inkl. Diagnose, Prognose und ausdrücklicher Kündigungsempfehlung).
- den Nachweis, dass der Arbeitgeber keine leidensgerechte Beschäftigungsalternative anbieten kann.
- das spezielle Formular der Agentur für Arbeit für eine Kündigung auf ärztlichen Rat.
- Eine rechtzeitige Arbeitslosmeldung an die Agentur für Arbeit.
Jeder dieser Stichpunkte ist notwendig, damit die Agentur für Arbeit keine Sperrzeit verhängt.
Beispiel: Ein Bezirksleiter kündigte im Mai 2018 selbst, weil ihn die Leitungsaufgaben psychisch wie körperlich überforderten, legte aber kein ärztliches Attest vor und suchte keine Entlastungslösung mit dem Arbeitgeber. Die behaupteten Gesundheitsrisiken waren nicht objektiv belegt.
Damit bleibt die volle 12‑wöchige Sperrzeit des § 159 SGB III wirksam, eine Verkürzung kam nicht in Betracht. (LSG Niedersachsen‑Bremen, Urt. v. 03.07.2023, L 7 AL 72/21)
Lesen Sie im Folgenden, worauf es im Einzelnen ankommt.
Was muss bei einer Kündigung auf ärztlichen Rat im ärztlichen Attest stehen?
Im Attest für eine Kündigung auf ärztlichen Rat muss erkennbar sein, warum die Fortsetzung der Beschäftigung Ihre Gesundheit gefährdet und welche konkreten Tätigkeiten dafür ausschlaggebend sind.
Dabei ist es zunächst egal, ob die Krankheit eine physische oder eine psychische ist. Depressionen oder Burn-Out können ebenso eine unzumutbare Belastung der Arbeitskraft sein wie Herz-/Kreislaufstörungen oder schwere Allergien.

Was muss bei einer Kündigung auf ärztlichen Rat im ärztlichen Attest stehen?
Ein bloßer Verweis auf „Stress“ oder schwammige, generelle Aussagen reichen nicht; die Rechtsprechung verlangt eine medizinisch nachvollziehbare Begründung.
Beispiel: Eine Bäckerin entwickelt eine Mehlstauballergie. Das Attest erläutert ausführlich die Allergene und bestätigt, dass das Tragen einer FFP-Maske keine ausreichende Prävention darstellt.
Muss ich mich vor meiner Kündigung versetzen lassen?
Nein, für die Kündigung jedenfalls nicht. Die Agentur für Arbeit erwartet für den Entfall der Sperrzeit allerdings regelmäßig, dass Sie zuvor alles unternehmen, um Ihre Arbeitssituation zu verbessern.
Es sind beispielsweise folgende Anpassungen denkbar:
- Versetzung an einen anderen Arbeitsplatz
- Betriebliches Wiedereingliederungsmanagement (BEM)
- Teilzeit, § 8 TzBfG
- Home-Office, falls möglich
Wichtig für die Vermeidung der Sperrzeit: Sie benötigen zwingend einen Nachweis darüber, dass Sie sich für eine Verbesserung Ihres Arbeitsplatzes bemüht haben. Sichern Sie E-Mails, Schriftverkehr oder sonstige Protokolle, die diese Bemühungen möglichst umfassend darlegen.
Wo bekomme ich das Formular zur Kündigung auf ärztlichen Rat?
Hier können Sie das Formular zur Kündigung auf ärztlichen Rat schnell und einfach downloaden und ausdrucken.
Muss der Betriebsrat bei einer Kündigung auf ärztlichen Rat beteiligt werden?
Nein, bei einer Eigenkündigung gibt es keine Beteiligungspflicht. Der Betriebsrat kann allerdings beratend unterstützen: Insbesondere, wenn eine Versetzung auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz geprüft werden soll. Der Betriebsrat nimmt bereits seinem Zweck nach eine vermittelnde Position zwischen Ihnen und Ihrem Arbeitgeber ein.

Muss der Betriebsrat bei einer Kündigung auf ärztlichen Rat beteiligt werden?
Welche Alternativen zur Eigenkündigung gibt es?
Folgende Alternativen zur Eigenkündigung sind in nahezu jedem Fall eine Überlegung wert:
- Anpassung Ihres Arbeitsvertrags,
- Vorübergehende Arbeitsunfähigkeitsmeldung,
- Konstruktive Gespräche mit Ihrem Arbeitgeber oder
- Sie verhandeln einen Aufhebungsvertrag. Bei einem Aufhebungsvertrag könnten Sie, je nach Verhandlungsbereitschaft, eine Abfindungszahlung erreichen.
Die Kündigung sollte Ihr letztes Mittel sein. Gerne beraten wir umfassend über alle in Ihrem Einzelfall bestehenden Möglichkeiten und Risiken.
Welche häufigen Fehler bei der Kündigung auf ärztlichen Rat sollten vermieden werden?
Die größten Fehler sind eine vorschnelle Kündigung ohne ein aussagekräftiges Attest, oder die fehlende Dokumentation von Änderungsangeboten des Arbeitgebers. Beides führt fast automatisch zur Sperrzeit.
Stellen Sie sicher, dass wirklich alle Dokumente und Voraussetzungen vorliegen, bevor Sie vollendete Tatsachen schaffen. Gerne unterstützen wir Sie bei allen notwendigen Schritten, um einen möglichst reibungslosen Übergang zu bewerkstelligen.
Fazit
- Eine Kündigung auf ärztlichen Rat dient dazu, das Arbeitsverhältnis aus gesundheitlichen Gründen zu beenden, ohne die zwölfwöchige Sperrzeit beim Arbeitslosengeld auszulösen.
- 159 SGB III sieht die Sperrzeit bei freiwilliger Aufgabe vor; ein fachärztliches Attest, das die Fortsetzung der Arbeit als unzumutbar erklärt, kann diese Sperrzeit vollständig ausschließen.
- Ein detailliertes fachärztliches Attest, Nachweis fehlender leidensgerechter Einsatzmöglichkeiten, das ausgefüllte Formular der Agentur für Arbeit und die rechtzeitige Arbeitslosigkeitsmeldung: alle Punkte sind zwingend.
- Dokumentieren Sie Versetzungs‑, Teilzeit‑, Home‑Office‑ oder BEM‑Versuche; die Agentur für Arbeit erwartet nachweisbare Eigenbemühungen.
- Prüfen Sie Vertragsanpassungen, einen Aufhebungsvertrag oder moderierte Gespräche; Betriebsrat kann beratend helfen, ist aber bei der Eigenkündigung nicht formell einzubinden.
- Ohne aussagekräftiges Attest oder ohne Belege für Änderungsbemühungen zu kündigen führt fast zwangsläufig zur Sperrzeit; sichern Sie alle relevanten Dokumente und vertrauen Sie auf anwaltliche Hilfe.
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