Kündigung wegen Arbeitsmangel

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Was tun bei einer Kündigung wegen Arbeitsmangel?

Wenn die Auftragslage im Unternehmen schlecht ist, wird es vielen Arbeitnehmern bange. Eine Kündigung wegen Arbeitsmangels ist allerdings häufig unwirksam. Hier erfahren Arbeitnehmer, was sie tun können.

Inhaltsverzeichnis

1. Ist eine Kündigung wegen Arbeitsmangel möglich?

Der Arbeitgeber kann nicht ohne weiteres wegen Arbeitsmangels kündigen. Die Auftragslage ist grundsätzlich „sein Problem“. Er darf nicht gleich Mitarbeiter entlassen, nur weil der Umsatz zurückgegangen ist.

Erst, wenn dauerhaft nicht mehr alle Mitarbeiter im Betrieb ausgelastet werden können, kommt eine sog. betriebsbedingte Kündigung in Betracht. Sie ist an einige Voraussetzungen geknüpft und daher fehleranfällig.

Diese recht hohen Hürden gelten nicht in Betrieben

  • mit zehn oder weniger Arbeitnehmern
  • sowie in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses

Hier kann der Arbeitgeber grundsätzlich kündigen „wann es ihm passt“. Vor einer Kündigung wegen Auftragsmangels sind diese Arbeitnehmer also deutlich weniger geschützt.

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2. Wann ist eine Kündigung wegen Arbeitsmangel unwirksam?

Bei einem Arbeitsmangel kommt nur eine betriebsbedingte Kündigung in Frage. Arbeitgebern unterlaufen hier viele Fehler. Die häufigsten stellen wir hier vor.
Wichtig: Arbeitnehmer sollten in fast allen Fällen zügig Klage gegen ihre Kündigung erheben. Sonst wird sie nach drei Wochen automatisch wirksam. Der Arbeitsplatz ist dann endgültig verloren. Auch, wenn Arbeitnehmer bloß eine Abfindung erhalten möchten, ist die baldige Klage sehr zu empfehlen.

a. Arbeitsmangel ist nicht dauerhaft

Eine betriebsbedingte Kündigung ist nur rechtmäßig, wenn der Arbeitsbedarf im Unternehmen dauerhaft reduziert ist.
Beispiel: Der Umsatzrückgang aufgrund der Corona-Beschränkungen ist in vielen Branchen nur vorübergehend. Kündigungen allein wegen dieses kurzen Auftragsmangels sind nicht zulässig.
Erst, wenn die Auftragslage über nicht absehbare Zeit schlecht ist, kommt eine betriebsbedingte Kündigung in Betracht. Es muss ein dauerhafter Stellenüberhang entstehen.
Es gibt allerdings auch eine zweite Möglichkeit, die Kündigung zu begründen. Der Arbeitgeber ist grundsätzlich in seinen unternehmerischen Entscheidungen frei. Er kann also unabhängig von Umsatz oder Auftragslage entscheiden, sein Unternehmen zu verkleinern. In diesem Fall ist die Kündigung weniger schwierig. Seine unternehmerische Entscheidung darf lediglich nicht völlig willkürlich oder unvernünftig sein.
Hierzu folgendes Beispiel:

Der Arbeitgeber hat Probleme, ein bestimmtes Produkt zu verkaufen. Deshalb möchte er dessen Produktion dauerhaft einstellen. Arbeitnehmer A hat ausschließlich an der Herstellung dieses Produkts gearbeitet. Der Bedarf für seinen Arbeitsplatz fällt mit der unternehmerischen Entscheidung seines Arbeitgebers weg.

Auch bei dieser Begründung muss der Arbeitsplatz allerdings dauerhaft entfallen. Die Umstrukturierung darf also nicht bloß vorübergehende Änderungen schaffen.

Beispiele:

  • A ist als Monteur beschäftigt. Er wird mit der Begründung entlassen, dass seine Stelle entfällt. Kurz darauf wird ein neuer Monteur eingestellt, der seine Aufgaben übernimmt.
  • B arbeitet in einem großen Restaurant. Über mehrere Monate werden keine Gäste bedient, weil der Arbeitgeber die Räume renoviert. B kann deshalb nicht betriebsbedingt entlassen werden.

b. Beschäftigung auf anderer Stelle ist möglich

Es reicht nicht aus, dass die bisherige Stelle des Arbeitnehmers entfällt. Der Arbeitgeber muss prüfen, ob er seinen Mitarbeiter nicht mit anderen Aufgaben weiterbeschäftigen kann. Erst wenn das nicht möglich ist, darf er zur betriebsbedingten Kündigung greifen.

Er muss alle vergleichbaren Arbeitsplätze in seinem Unternehmen in Betracht ziehen. Eine Stelle ist vergleichbar, wenn sie dem Arbeitnehmer zugewiesen werden kann, ohne dass der Arbeitsvertrag geändert werden müsste.

Beispiel:

Die Arbeitnehmerin A ist bei einer großen Hotelkette angestellt. In ihrem Arbeitsvertrag ist festgelegt, dass sie mit ihrer Zustimmung auch in ein anderes Hotel versetzt werden kann. Das Hotel, in dem A arbeitet, wird wegen finanzieller Engpässe bei der Arbeitgeberin geschlossen und A erhält eine Kündigung. Diese Kündigung ist unberechtigt, wenn in anderen nahegelegenen Hotels der Kette vergleichbare Stellen frei sind.

Außerdem muss der Arbeitgeber eine zumutbare Umschulung des Arbeitnehmers in Betracht ziehen, wenn dieser damit einverstanden ist.

Beispiel:

A arbeitet in der Produktion eines Maschinenherstellers. Die Abteilung wird verkleinert. Der Arbeitgeber will A deshalb kündigen. Er sucht zugleich neue Mitarbeiter für die Montage beim Kunden. Die Einarbeitung des A in diese Tätigkeit würde nur wenige Wochen beanspruchen. Die betriebsbedingte Kündigung ist unzulässig.

c. Sozialauswahl ist fehlerhaft

Selbst wenn die betroffene Stelle dauerhaft entfällt und keine Versetzung möglich ist, bestehen noch gute Chancen, die Kündigung anzugreifen. Wenn nämlich mehrere Arbeitnehmer für den Stellenabbau in Frage kommen, muss der Arbeitgeber eine Sozialauswahl durchführen. Er hat denjenigen Mitarbeiter auszuwählen, für den die Kündigung am wenigsten belastend ist.

Folgende Faktoren spielen dabei eine Rolle:

  • Dauer der Betriebszugehörigkeit
  • Lebensalter
  • Unterhaltspflichten
  • Schwerbehinderung

Zur Sozialauswahl folgendes Beispiel:

Arbeitnehmer A ist 25 Jahre alt, ledig und arbeitet seit 2 Jahren beim Unternehmen. Arbeitnehmer B ist 54 Jahre alt, hat 2 Kinder und arbeitet seit 15 Jahren beim Unternehmen. Für eine Kündigung kommen A oder B in Frage. Der Arbeitgeber muss sich für die Kündigung von A entscheiden. Dieser ist jünger, hat keine unterhaltsberechtigten Kinder und arbeitet kürzer im Unternehmen.

Bei der Sozialauswahl kommt es ständig zu Fehlern. Sie machen die Kündigung rechtswidrig.

d. Anhörung des Betriebsrats versäumt

Besteht im Unternehmen ein Betriebsrat, muss dieser vor der Kündigung angehört werden, ansonsten ist die Kündigung unwirksam (§ 102 BetrVG). Gelegentlich vergisst der Arbeitgeber dieses Erfordernis schlichtweg.

 

Eine Kündigung wegen Arbeitsmangels ist häufig unwirksam

Eine Kündigung wegen Arbeitsmangels ist häufig unwirksam

3. Besonderer Schutz für Schwangere, Betriebsräte und Behinderte

Generell muss der Arbeitgeber bei Kündigungen beachten, dass manche Arbeitnehmer gesetzlich besonders geschützt sind. Zu diesen Personengruppen gehören insbesondere:

  • Schwangere
  • Schwerbehinderte Personen
  • Betriebsräte

Der besondere Kündigungsschutz stellt höhere Anforderungen an die Kündigung. Bei schwerbehinderten Personen muss zum Beispiel das Integrationsamt der Kündigung zustimmen (§ 168 SGB IX).

4. Führt Arbeitsmangel am Bau zu einer Kündigung?

Die oben dargestellten Grundsätze sind auch auf den Arbeitsmangel am Bau anwendbar.
Dazu folgendes Beispiel (angelehnt an BAG, Urteil v. 23.02.2012, Az. 2 AZR 548/10):

Arbeitnehmer A ist bei einem Bauunternehmer angestellt. Wegen Auftragsmangels hat das Unternehmen Kurzarbeit angemeldet. Aus demselben Grund wird A wenig später gekündigt. Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts ist hier zweifelhaft, ob wirklich dauerhaft Stellen abgebaut werden. Denn die Kurzarbeit spricht dafür, dass später wieder mit einer besseren Auftragslage zu rechnen ist. Das ist nämlich Voraussetzung für den Bezug von Kurzarbeitergeld.

5. Kündigungsfristen bei Kündigung wegen Arbeitsmangel

Der Arbeitgeber muss grundsätzlich die Kündigungsfristen einhalten. Wenn im Arbeits- oder Tarifvertrag nichts anderes angegeben ist, gelten die gesetzlichen Kündigungsfristen (§ 622 BGB). Je länger der Arbeitnehmer im Betrieb arbeitet, desto länger sind sie.

Hierzu zwei Beispiele:

  • Der Arbeitnehmer ist seit 5 Jahren beim Arbeitgeber beschäftigt. Es gilt eine gesetzliche Kündigungsfrist von 2 Monaten zum Monatsende.
  • Im Arbeitsvertrag ist eine Probezeit von 6 Monaten vereinbart. In dieser Zeit darf der Arbeitgeber den Vertrag mit einer Frist von 2 Wochen kündigen.

6. Ist eine fristlose Kündigung wegen Arbeitsmangel wirksam?

Eine fristlose Kündigung beendet das Arbeitsverhältnis sofort und ohne Ablauf einer Frist. Sie kann nur ausgesprochen werden, wenn die Weiterführung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist.
Meistens geht es um schweres Fehlverhalten des Arbeitnehmers, zum Beispiel ein Diebstahl zulasten des Arbeitgebers. Der Arbeitsmangel hat aber nichts mit dem Verhalten des Arbeitnehmers zu tun. Eine fristlose Kündigung wegen Auftragsmangel ist daher nicht möglich.

Das bedeutet allerdings nicht, dass keine sog. außerordentliche Kündigung wegen Auftragsmangels denkbar ist. Für gewöhnlich wird sie fristlos ausgesprochen. Bei einem Auftragsmangel ist sie allerdings nur mit einer sog. sozialen Auslauffrist zulässig. Sie kommt insbesondere bei ordentlich unkündbaren Arbeitnehmern in Betracht.

Zur außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung ein Beispiel:

Arbeitnehmer A ist 56 Jahre alt und seit 25 Jahren als Fabrikarbeiter bei der Arbeitgeberin angestellt. Wegen seiner langen Betriebszugehörigkeit ist er laut Tarifvertrag ordentlich unkündbar. Die Betriebsstätte, in der A arbeitet, wird dauerhaft geschlossen. Im restlichen Unternehmen gibt es keine Stellen mehr, für die A in Frage kommt. Auch nach einer Umschulung würden A die notwendigen Qualifikationen fehlen. Der Arbeitgeber kann A mit einer Auslauffrist außerordentlich kündigen (Länge s. § 622 BGB).

Auch bei der außerordentlichen Kündigung ist der Arbeitgeber zur Durchführung einer Sozialauswahl verpflichtet (s.o.).

7. Wird eine Abfindung nach Kündigung wegen Arbeitsmangel gezahlt?

Die Erfahrung zeigt: Wer eine Abfindung nach einer Kündigung wegen Arbeitsmangels möchte, erhält sie meist auch.

Ein Anspruch darauf besteht allerdings nur selten. In aller Regel muss die Zahlung ausgehandelt werden. Meist geschieht dies vor Gericht. Klagt der Arbeitnehmer gegen die Kündigung, können sich die Parteien im sog. Gütetermin darauf einigen, dass der Arbeitnehmer die Kündigung hinnimmt und dafür eine Abfindung erhält.

Die Höhe der Abfindung ist abhängig von den Verhandlungen. Meistens orientiert man sich grob an der folgenden Formel:
0,5 Bruttomonatsgehälter x Anzahl der Jahre im Betrieb

8. Fazit

  • Der Arbeitgeber kann nicht einfach eine Kündigung wegen Arbeitsmangels aussprechen, wenn der Umsatz zurückgeht.
  • Nur bei dauerhaftem Stellenüberhang kommt eine betriebsbedingte Kündigung in Betracht. Sie ist fehleranfällig.
  • Das Arbeitsverhältnis endet frühestens nach Ablauf der Kündigungsfrist, die einige Monate betragen kann. Eine fristlose Kündigung wegen Arbeitsmangels ist nicht möglich.
  • Häufig zahlt der Arbeitgeber eine Abfindung. Sie muss allerdings fast immer individuell ausgehandelt werden.
  • Klagt der Arbeitnehmer nicht gegen die Kündigung, ist der Arbeitsplatz nach drei Wochen endgültig verloren.