Mit der Turboklausel Abfindung im Aufhebungsvertrag erhöhen: Vorteile, Nachteile und Höhe der Abfindung
Die Verhandlung eines Aufhebungsvertrags stellt Arbeitnehmer und Arbeitgeber vor besondere Herausforderungen. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten sind Unternehmen häufig bestrebt, personelle Veränderungen möglichst reibungslos und einvernehmlich zu gestalten. Für betroffene Mitarbeiter bedeutet das oft, eine Abfindung zu verhandeln. Eine effektive und gleichzeitig wenig bekannte Möglichkeit, die Höhe der Abfindung zu optimieren, ist die sogenannte Turboklausel (auch „Sprinterklausel“ oder „Sprinterprämie“). In diesem Artikel erfahren Sie, wie die Turboklausel funktioniert, welche rechtlichen Voraussetzungen erforderlich sind und wie Sie als Arbeitnehmer oder Arbeitgeber langfristig davon profitieren können.
Definition und Funktion der Turboklausel
Die Turboklausel, häufig auch als “Sprinterklausel” oder “Sprinterprämie” bezeichnet, ist eine vertragliche Regelung im Aufhebungsvertrag. Sie sieht vor, die vereinbarte Abfindung deutlich zu erhöhen, wenn der Arbeitnehmer auf bestimmte Fristen verzichtet oder bestimmte Bedingungen einhält.

Definition und Funktion der Turboklause
Konkret bedeutet dies: Kommt der Arbeitnehmer ohne Herauszögern aus dem Unternehmen, kann eine zusätzliche Prämie fällig werden. Diese Prämie wird meistens prozentual zum ursprünglichen Abfindungsbetrag berechnet und kann die Entschädigungsleistung erheblich steigern.
So funktioniert die Turboklausel im Kern:
- Der Arbeitgeber zahlt eine Basis-Abfindung, die sich nach sozialen Kriterien (Dienstjahre, Altersgruppe, Familienstand) richtet.
- Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, innerhalb einer kurzen Frist (z. B. 2 bis 4 Wochen) das Unternehmen zu verlassen und keinerlei Ansprüche geltend zu machen.
- Erfüllt der Arbeitnehmer diesen Punkt, wird ein Aufschlag auf die ursprüngliche Abfindung fällig, nämlich die sogenannte Sprinterprämie.
- Verstößt der Arbeitnehmer gegen die Frist oder erhebt er Klage, verfällt die Prämie komplett.
Der Name “Turboklausel” leitet sich von der Beschleunigung ab, mit der Sie aus dem Unternehmen ausscheiden sollen. Durch den Verzicht auf lange Kündigungsfristen und rechtliche Auseinandersetzungen profitieren beide Seiten: Der Arbeitgeber spart Personalkosten und Prozessrisiken, und der Arbeitnehmer sichert sich eine deutlich höhere Abfindung.
Rechtliche Grundlagen im Arbeits- und Kündigungsschutzrecht
Aufhebungsverträge unterliegen dem allgemeinen Zivilrecht. Anders als bei einer Kündigung durch den Arbeitgeber bedarf es beim Aufhebungsvertrag keiner sozialen Rechtfertigung. Dennoch ist aufgrund der empfindlichen Folgen für den Arbeitnehmer Vorsicht geboten. Denn mit Unterzeichnung des Aufhebungsvertrags verzichtet er in der Regel auf das Recht, Kündigungsschutzklage zu erheben oder weitere Ansprüche (z. B. Abgeltung von Überstunden oder Urlaub) geltend zu machen.
Wichtig zu wissen:
- Viele Aufhebungsverträge enthalten eine Verschwiegenheitsklausel. Diese muss fair formuliert sein. Eine übermäßige Einschränkung kann unwirksam sein, wenn sie den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt.
- In der Regel besteht kein gesetzliches Widerrufsrecht für Aufhebungsverträge. Ein Widerruf ist nur möglich, wenn der Vertrag sittenwidrig ist oder wenn arglistig getäuscht wurde. Deshalb ist besonderes Augenmerk auf Transparenz und Ausgewogenheit zu legen.
- Arbeitnehmer verzichten durch den Aufhebungsvertrag mit einer entsprechenden Erklärung regelmäßig auf ihr Recht, eine Kündigungsschutzklage gegen eine Arbeitgeberkündigung zu erheben. Sollte der Aufhebungsvertrag unwirksam sein, könnte der Arbeitnehmer dennoch klagen.
Die Sprinterprämie in der Turboklausel findet ihre rechtliche Grundlage darin, dass es einerseits ein freiwilliges, vertraglich ausgestaltetes Entgegenkommen des Arbeitgebers darstellt und andererseits dem Arbeitnehmer ein Anreiz zur schnellen Erledigung gibt. Die Rechtsprechung toleriert prinzipiell Prämienzahlungen, solange sie nicht im Widerspruch zu gesetzlichen Regelungen stehen.
Berechnung der Abfindung und Höhe der Turboklausel/Sprinterprämie
Die Basis-Abfindung ohne Turboklausel richtet sich oft nach sozialen Kriterien. Gesetzlich gibt es hierfür keine starre Berechnungsformel, in der Praxis hat sich jedoch folgende Faustformel etabliert:
0,5 Monatsgehälter x Jahre der Betriebszugehörigkeit
Beispiel: Ein Arbeitnehmer mit zehn Jahren Betriebszugehörigkeit und einem Bruttomonatsgehalt von 4.000 € erhält nach der Faustformel eine Basis-Abfindung von 20.000 € (0,5 × 10 × 4.000 €).
Alternative Faktoren, die in der Berechnung eine Rolle spielen können sind:
- Alter des Arbeitnehmers: Ältere Arbeitnehmer gelten als schwer vermittelbar.
- Familienstand / Unterhaltspflichten: Bei Kindern oder Ehepartnern in Ausbildung sollte die Abfindung höher ausfallen.
- Betriebliche Besonderheiten: Vorliegen eines Sozialplans, Tarifbindung, Branchenüblichkeit.
- Verhandlungsgeschick: Wenn ein Arbeitnehmer guten Rechtsrat hat, lässt sich oft eine günstigere Abfindung erzielen.

Berechnung der Abfindung und Höhe der Turboklausel/Sprinterprämie
Die Turboklausel setzt an dieser Basis-Abfindung an. Es hängt maßgeblich von Ihrem Verhandlungsgeschick ab, wie hoch die Sprinterprämie ausfällt.
Wurde ohne Turboklausel eine Abfindung von beispielsweise 20.000 € ausgehandelt, kann mittels einer Sprinterprämie von 50 % die Zahlung auf 30.000 € steigen. Bei 100 % Prämie wären sogar 40.000 € möglich.
Gestaltung und Formulierungstipps für eine Turboklausel

Gestaltung und Formulierungstipps für eine Turboklausel
Damit die Turboklausel wirksam und für beide Seiten transparent ist, sollte sie folgende Elemente in eindeutiger Sprache enthalten:
Leistungsparameter der Sprinterprämie
Definieren Sie klar, welcher Aufschlag gewährt wird und in welcher Höhe. Feste Prozentsätze in Verbindung mit fixen Daten sind ein oft gewählter Weg zur Bestimmung der maßgeblichen Parameter. Sie sollten auch über eine mögliche Obergrenze nachdenken, denn je nach Modell kann die zu zahlende Sprinterprämie massiv ansteigen.
Fristregelung
Die Frist ist das Herzstück der Turboklausel. Ohne klar definierte Frist gibt es keine Rechtsklarheit.
Ausschluss der Sprinterprämie
Regeln Sie eindeutig, unter welchen Umständen die Sprinterprämie entfällt. Folgende Klauseln bieten sich an:
- „Verzögert sich der Austritt des Arbeitnehmers,
- erhebt der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage oder
- erhebt der Arbeitnehmer andere arbeitsrechtliche Ansprüche,
entfällt der Anspruch auf die Sprinterprämie.“
Widerrufs- und Rückforderungsklausel
Für den Fall, dass sich erst später herausstellt, dass der Arbeitnehmer Ansprüche hatte (z. B. Überstundenvergütung), kann eine Rückforderungsklausel sinnvoll sein. Diese muss allerdings sorgfältig gestaltet sein, um nicht sittenwidrig zu erscheinen. Insbesondere in diesen Fällen ist anwaltliche Beratung mehr als ratsam.
Musterbeispiel für eine rechtssichere Formulierung
- Der Arbeitnehmer kann das Arbeitsverhältnis vorzeitig durch einseitige, empfangsbedürftige Auflösungserklärung mit einer Ankündigungsfrist von einer Woche beenden. Die vorzeitige Beendigung liegt ausdrücklich im Interesse des Arbeitgebers. Im Fall der vorzeitigen Beendigung treten alle nach dieser Vereinbarung mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses verbundenen Rechtsfolgen zum dann früheren Beendigungszeitpunkt ein. Für jeden vollen Monat des vorzeitigen Ausscheidens erhöht sich die vereinbarte Abfindung um [__], für anteilige Monate anteilig, ausgehend von einem 30-Tage Monat („Sprinterprämie“). Abfindung und Sprinterprämie werden mit Ablauf des auf den Monat der Ankündigung folgenden Monat fällig.
Vorteile einer Turboklausel für Arbeitnehmer
Die Turboklausel bietet für Arbeitnehmer mehrere Vorteile:
- Durch die Sprinterprämie lässt sich die Abfindung erheblich steigern, oft um 50 %, 100 % oder sogar noch mehr.
- Arbeitnehmer können rascher in eine neue Anstellung starten, weil sie das Unternehmen ohne lange Kündigungsfrist verlassen.
- Ist die Turboklausel klar formuliert, besteht keine Unsicherheit über die Auszahlung.
- Arbeitnehmer vermeiden zusätzliche Kosten und Stress durch Kündigungsschutzklagen, da sie bewusst auf diese Rechte verzichten.
Beachten Sie jedoch:
- Sie verzichten vielleicht auf mögliche Ansprüche, die sich später als höherwertig herausstellen könnten (z. B. Überstundenvergütung).
- Durch die enge Frist kann es bei Krankheit oder anderen unvorhergesehenen Ereignissen zu Problemen kommen. Die Frist sollte deshalb realistisch gesetzt werden.
Vorteile einer Turboklausel für Arbeitgeber
Unternehmen profitieren ebenfalls von der Turboklausel:
- Arbeitgeber wissen genau, bis wann ein Mitarbeiter das Unternehmen verlassen muss, und können personelle Umstellungen schneller umsetzen.
- Kürzere Beschäftigungsdauer reduziert Lohnkosten, Urlaubsabgeltung und Sozialaufwendungen.
- Die klare Regelung, dass keine Klagen erhoben werden dürfen, minimiert Prozessrisiken und Rechtsstreitkosten.
- Mitarbeiter sind motiviert, reibungslos auszuscheiden, um die Prämie zu erhalten. So wird eine konstruktive Verhandlungskultur gefördert.
Aus Sicht des Arbeitgebers ist es entscheidend, dass die Klausel rechtlich einwandfrei gestaltet ist und nicht als “Wucher” oder “Drohung” interpretiert werden kann. Eine Sprinterprämie könnte im Einzelfall als sittenwidrig gelten.
Risiken einer Turboklausel

Risiken einer Turboklausel
Obwohl die Turboklausel attraktive Vorteile bietet, sollten beide Parteien mögliche Risiken beachten:
Unfaire Formulierung und Sittenwidrigkeit
Ist die Prämie überproportional hoch oder enthalten die Bedingungen eine zu starke Benachteiligung des Arbeitnehmers (z. B. sehr kurze Fristen bei schwerer Krankheit), kann die Klausel gegen § 138 BGB (Sittenwidrigkeit) verstoßen und damit unwirksam sein.
Wegfallgründe für die Prämie
Verzögerungen bei der Neuanstellung, Krankheit oder Umstände außerhalb der Kontrolle des Arbeitnehmers können dazu führen, dass die Sprinterprämie entfällt. Eine Kulanzregelung in Ausnahmefällen kann hier sinnvoll sein.
Folgen bei Arbeitsunfähigkeit
Erkrankt der Arbeitnehmer während der Sprinterfrist schwer und kann nicht fristgerecht austreten, verliert er nicht nur den Prämienanspruch, sondern gerät unter Umständen auch in finanzielle Notlage. Eine Ergänzungsklausel, die Fristverlängerung bei nachgewiesener Arbeitsunfähigkeit regelt, ist empfehlenswert.
FAQ: Häufige Fragen zur Turboklausel
- 1. Was passiert, wenn ich die Frist der Turboklausel knapp verpasse?
- In den meisten Aufhebungsverträgen ist geregelt, dass die Sprinterprämie in diesem Fall komplett entfällt. Manche Arbeitgeber gewähren eine kurze Kulanzfrist (z. B. wenige Tage). Achten Sie auf eine klare Regelung im Aufhebungsvertrag.
- 2. Kann ich mich nach Unterzeichnung des Aufhebungsvertrags umentscheiden?
- Einmal unterschrieben, ist der Aufhebungsvertrag bindend, es sei denn, er wäre nachträglich wegen arglistiger Täuschung oder Sittenwidrigkeit anfechtbar. Ein Widerrufsrecht besteht in aller Regel nicht. Lassen Sie sich umfassend beraten.
- 3. Können auch in Teilzeit beschäftigte Arbeitnehmer eine Turboklausel erhalten?
- Ja, die Turboklausel ist nicht auf Vollzeitkräfte beschränkt. Die Abfindung berechnet sich anteilig nach dem Bruttogehalt. Wichtig ist, dass Basis-Abfindung und Sprinterprämie korrekt in Relation gesetzt werden.
- 4. Wie wirkt sich eine Sprinterprämie auf das Arbeitslosengeld aus?
- Höhere Abfindungen können eine Sperrzeit beim Bezug von Arbeitslosengeld I nach sich ziehen, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Aufhebungsvertrag beendet wird. Sie sollten sich frühzeitig informieren und sich beraten lassen. Lesen Sie hier mehr zur Sperrzeit beim Arbeitslosengeld.
Fazit: Turboklauseln gezielt einsetzen
Die Turboklausel (oder Sprinterprämie) ist ein wirkungsvolles Instrument, um Abfindungen im Aufhebungsvertrag deutlich zu erhöhen und gleichzeitig eine schnelle Vertragsbeendigung sicherzustellen. Sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber profitieren von klaren Regelungen, da sie Planungssicherheit erzeugen und langwierige Rechtsstreitigkeiten vermeiden. Damit die Turboklausel rechtssicher und fair ist, sollten folgende Punkte beachtet werden:
- Klarheit in Formulierung: Prozentsatz der Prämie, Fristen, Ausschlussgründe und mögliche Kulanzlösungen müssen eindeutig geregelt sein.
- Beratung durch Experten: Lassen Sie sich sowohl arbeitsrechtlich als auch sozialversicherungsrechtlich beraten, um unerwünschte Folgen (z. B. Sperrzeiten) zu vermeiden.
- Individuelle Anpassung: Passen Sie das Muster an Alter, Betriebszugehörigkeit und familiäre Situation an. Auch Krankheitsfälle sollten berücksichtigt werden (z. B. Fristverlängerung bei Arbeitsunfähigkeit).
- Verhandlungsgeschick: Eine hohe Sprinterprämie kann nur durch überzeugende Argumente und fundierte Kenntnisse des Sozialplans und der Branche erreicht werden.
Langfristig schafft die Turboklausel einen Rahmen, in dem Arbeitnehmer durch schnelle Vertragsbeendigung und hohe Prämien eine solide finanzielle Basis erhalten. Arbeitgeber können Kosten sparen und rechtliche Risiken minimieren. Wenn Sie sich aktuell in einer Verhandlungssituation befinden, sprechen Sie am besten umgehend mit einem Fachanwalt für Arbeitsrecht, um Ihr persönliches Potenzial optimal auszuschöpfen.
Sie haben weitergehende Fragen zur Turboklausel, zu Aufhebungsverträgen oder wünschen eine individuelle Beratung? Kontaktieren Sie uns gerne. Wir stehen Ihnen mit umfassender Expertise im Arbeitsrecht zur Seite.
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