Werden Minusstunden bei einer Kündigung zum Problem?
Wird die Arbeitszeit über ein Arbeitszeitkonto erfasst, kann es zu Minusstunden kommen. Welche Folgen haben Minusstunden, wenn das Arbeitsverhältnis gekündigt wird? Wir erklären Ihnen, ob der Arbeitgeber Ihr Gehalt wegen Minusstunden einbehalten oder sogar zurückverlangen darf.
Muss ich Minusstunden bei einer Kündigung zurückzahlen?
Minusstunden können nur dann anfallen, wenn zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Führung eines Arbeitszeitkontos vereinbart ist. Das kann im Arbeitsvertrag selbst, tariflich oder durch eine Betriebsvereinbarung festgelegt sein.
Achtung: Das Arbeitszeitkonto ist von einem reinen Überstundenkonto zu unterschieden. Letzteres erfasst ausschließlich Überstunden, die in der Regel durch Freizeit abgegolten werden. Anders als beim Arbeitszeitkonto werden Minusstunden darin nicht erfasst und es kann auch nicht ins Minus gehen.
Besteht ein Arbeitszeitkonto und befindet sich dieses bei der Kündigung im Minus, kann der Arbeitgeber schon überwiesenen Arbeitslohn für diese Minusstunden ggf. zurückverlangen. Dies setzt allerdings voraus, dass
- der Arbeitgeber durchgehend eine gleichbleibende Vergütung gezahlt hat. Er geht mit der Lohnzahlung in Vorschuss, auch wenn der Arbeitnehmer tatsächlich nicht gearbeitet hat,
- der Arbeitnehmer im Wesentlichen selbst bestimmen kann, wie er seine Arbeitszeit legt und
- eine Vereinbarung besteht, wonach Minusstunden am Ende des Arbeitsverhältnisses saldiert werden können. Allein die Führung eines Arbeitszeitkontos genügt noch nicht.
So hat es das Bundesarbeitsgericht entschieden (Urteil vom 26.11.2011, Az. 5 AZR 819/09).
Diese Voraussetzungen stellen den Arbeitgeber ersichtlich vor Herausforderungen.
Regelmäßig kommt es schon gar nicht zur Rückzahlungsforderung. Der Arbeitgeber wird die Minusstunden per Lohnabzug ausgleichen, indem er den letzten Arbeitslohn teilweise einbehält. Der Arbeitgeber hat dabei allerdings die Pfändungsfreigrenzen zu beachten. Er darf den Arbeitslohn also nicht vollständig einbehalten.
Fallbeispiel aus der Rechtsprechung (Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 3.4.2014, Az. 5 Sa 579/13):
Der Arbeitgeber hatte in dem Fall versucht, Minusstunden der Arbeitnehmerin mit offenen Lohnzahlungen zu verrechnen. Wegen der Pfändungsfreigrenzen war ihm dies nicht möglich.
Aber Vorsicht! Der Arbeitgeber darf nicht jede Minusstunde vom Lohn abziehen oder wertmäßig zurückverlangen. Wurde weniger gearbeitet, weil sich das Betriebsrisiko des Arbeitgebers verwirklicht hat, sind diese ausgefallenen Stunden trotzdem zu bezahlen.
Fallbeispiel aus der Rechtsprechung (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 26. 1. 2011, Az. 5 AZR 819/09):Der Arbeitnehmer hatte nur auf Abruf zu arbeiten. Der Arbeitgeber teilte ihm aber weniger Arbeit zu, als er laut Arbeitsvertrag leisten musste. Die so entstandenen „Minusstunden“ musste der Arbeitgeber trotzdem bezahlen. Schließlich ist es seine Aufgabe, genug Arbeit zuzuteilen.
Dasselbe gilt, wenn der Arbeitgeber unberechtigt einfach die Mitarbeit des Arbeitnehmers ablehnt, indem er z.B. keine Aufgaben zuteilt oder den Betroffenen nicht auf das Gelände lässt.
Kann ich die Minusstunden nach der Kündigung nacharbeiten?
Ob die Minusstunden nachgearbeitet werden können, hängt von den Umständen der Vertragsbeendigung ab. Im Fall einer ordentlichen Kündigung läuft zunächst die Kündigungsfrist ab, während derer der Arbeitnehmer grundsätzlich auch weiterhin zur Arbeit verpflichtet und berechtigt ist. In dieser Zeit kann er seine Minusstunden grundsätzlich nachholen.
Komplizierter ist die Rechtslage, wenn der Arbeitgeber den Mitarbeiter während der Kündigungsfrist von der Arbeit freistellt, um Resturlaub nach der Kündigung abzubauen. Ob der Arbeitnehmer in diesem Fall ein Recht auf Abarbeiten der Minusstunden hat, ist noch nicht höchstrichterlich entschieden. Allerdings spricht vieles dafür.
Das Landesarbeitsgericht Nürnberg deutete in einem Verfahren an, dass dem Arbeitnehmer diese Möglichkeit eingeräumt werden müsse. Andernfalls sei der Arbeitgeber auch nicht zum (finanziellen) Abzug von Minusstunden berechtigt (LAG Nürnberg, Urt. v. 19.05.2021 – 4 Sa 423/20).
Ein Nacharbeiten der Minusstunden ist jedenfalls dann nicht mehr möglich, wenn das Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt wurde. Das LAG Nürnberg legt dies bei Kündigung durch den Arbeitgeber zu Lasten des Arbeitgebers aus und deutet an, dass dieser in dem Fall nicht zum Abzug der Minusstunden berechtigt sei. Eine ausdrückliche Entscheidung war im Verfahren wegen eines Parteivergleichs nicht erforderlich. Eine gefestigte Rechtsprechung liegt daher hierzu noch nicht vor. Arbeitnehmer sind daher auf kompetenten Rat eines Fachanwalts für Arbeitsrecht angewiesen.
Kann ich die Minusstunden mit Resturlaub verrechnen?
Ob Minusstunden mit Resturlaub verrechnet werden können, ist noch nicht abschließend geklärt.
Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (Urteil v. 12.05.2015 – 1 Sa 359 a/15) schließt diese Möglichkeit jedenfalls aus.
In der Vergangenheit liegende Fehlzeiten (also die Minusstunden) können demnach nicht im Nachhinein zu Urlaub umgewidmet werden.
Dies hat für Arbeitnehmer folgenden Nachteil: Der Arbeitgeber kann sie während der Kündigungsfrist noch in den Urlaub schicken, um offenen Resturlaub aufzubrauchen. Am Ende des Arbeitsverhältnisses hat er dann noch den Anspruch auf Ausgleich der Minusstunden in der Hand, die der Arbeitnehmer nicht mit etwaigem Resturlaub verrechnen kann. Dieser ist schließlich aufgebraucht.
Eine Verrechnung kommt aber dann in Betracht, wenn dem Arbeitnehmer selbst nach Ablauf der Kündigungsfrist noch Resturlaub zusteht. Diese Urlaubstage können nur noch in Geld ausbezahlt werden, wozu der Arbeitgeber auch verpflichtet ist (§ 7 Abs. 4 BUrlG). In diesem Fall können Arbeitnehmer ihren Anspruch auf Urlaubsabgeltung mit dem Anspruch des Arbeitgebers auf Ausgleich der Minusstunden verrechnen.
Hier erfahren Sie mehr dazu, wie Sie Resturlaub nach der Kündigung nutzen können.
Ist es ratsam, mit Minusstunden selbst zu kündigen?
Eine pauschale Antwort ist hierzu nicht möglich. Ob eine Kündigung sinnvoll ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.
Besteht keine vertragliche Regelung über den Ausgleich von Minusstunden, haben Arbeitnehmer theoretisch nichts zu befürchten. Sie sollten aber auch hier berücksichtigen, dass der Arbeitgeber trotzdem versuchen wird, die Minusstunden einzufordern. Es kann dabei zu einem Rechtsstreit kommen. Vor einer Kündigung sollten Sie sich also bereits anwaltlichen Rat suchen.
Besteht hingegen eine wirksame Vereinbarung zum Abzug von Minusstunden, sollte dies vor einer Kündigung berücksichtigt werden. Eine Eigenkündigung ist dann nur sinnvoll, wenn die Minusstunden im Kündigungszeitraum nachgeholt werden können oder der Betroffene finanziell eine Rückzahlung oder einen Lohnabzug stemmen kann.
Arbeitnehmer sollten diese Aspekte vor der Kündigung rechtlich prüfen lassen. Insbesondere Fragen zum Umgang mit Resturlaub können in diesem Zusammenhang kompliziert werden. In der Regel sind auch Ausschlussfristen zu beachten. Andernfalls verfallen Zahlungsansprüche des Arbeitnehmers, die der Aufrechnung durch den Arbeitgeber entgegengehalten werden könnten.
Gut zu wissen: Hier erfahren Sie mir mehr dazu, ob Sie nach einer Eigenkündigung als Arbeitnehmer eine Abfindung erhalten.
Was gilt für Minusstunden, wenn es kein Arbeitszeitkonto gibt?
Gibt es kein Arbeitszeitkonto, kann es grundsätzlich auch nicht zu Minusstunden kommen. Selbstverständlich sind trotzdem Fehlzeiten möglich. Es gilt der Grundsatz: Ohne Arbeit kein Lohn.
Dieser Grundsatz gilt allerdings nicht uneingeschränkt. Der Arbeitgeber muss dennoch Lohn zahlen, wenn der Arbeitnehmer bspw. krankheitsbedingt gefehlt hat und die Voraussetzungen der Entgeltfortzahlung vorliegen. Bei Fehlzeiten aufgrund besonderer persönlicher Umstände (z.B. eigene Hochzeit, Beerdigung im engsten Verwandtenkreis) kann ebenfalls ein Lohnanspruch bestehen. Wichtig ist hier, dass die Fehlzeiten gut begründen werden können und die Voraussetzungen des Lohnanspruchs darlegt werden (z.B. durch Vorlage einer AU-Bescheinigung bei Krankheit).
Bestehen hingegen Fehlzeiten, weil die Arbeit verweigert oder Urlaub ohne Rücksprache und Zustimmung des Arbeitgebers genommen wurde, besteht in der Regel kein Lohnanspruch. Zu viel gezahlter Lohn kann in diesen Fällen regelmäßig zurückverlangt werden.
Das gilt auch, wenn der Arbeitgeber bei Fehlzeiten nur versehentlich gezahlt hat (z.B. bei unbezahltem Urlaub). Ein Rückzahlungsanspruch besteht aber dann nicht, wenn der Arbeitgeber wusste, dass er rechtlich nicht zur Zahlung verpflichtet war.
Fazit
- Der Arbeitgeber kann Minusstunden nach einer Kündigung nur unter engen Voraussetzungen vom Lohn abziehen bzw. zurückfordern. Unter anderem muss ein Arbeitszeitkonto und eine entsprechende Vereinbarung bestehen.
- Der Arbeitnehmer kann Minusstunden grundsätzlich während der Kündigungsfrist nacharbeiten. Wird dem Arbeitnehmer diese Möglichkeit genommen, darf der Arbeitgeber bereits ausgezahltes Gehalt grundsätzlich nicht zurückverlangen.
- Besteht kein Arbeitszeitkonto, können grundsätzlich keine Minusstunden anfallen. Eine Lohnrückforderung kommt dann nur nach den allgemeinen Regeln in Betracht (z.B. unentschuldigtes Fehlen bei Krankheit).
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