Kündigung wegen Arbeitszeitbetrug (im Home Office)

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Wenn Arbeitnehmer bei der Arbeitszeit schummeln, ist das oft ein rotes Tuch für Arbeitgeber. In manchen Fällen greift der Arbeitgeber zum Äußersten und entlässt den Arbeitnehmer wegen Arbeitszeitbetrugs.

Wann eine Kündigung wegen Arbeitszeitbetrugs möglich ist und was es sonst noch zu beachten gibt, erfahren Sie in diesem Beitrag. Weiter unten gehen wir gesondert auf den Arbeitszeitbetrug im Home Office ein.

Was ist Arbeitszeitbetrug?

Arbeitszeitbetrug bedeutet, dass der Arbeitnehmer sich für Arbeitszeit bezahlen lässt, die er gar nicht gearbeitet hat. Er spiegelt dem Arbeitgeber nur vor, gearbeitet zu haben, während er in Wirklichkeit keine Arbeitsleistung erbracht hat.

Denkbar sind insbesondere die folgenden Fälle:

  • Der Arbeitnehmer missbraucht oder manipuliert Stempeluhren (z.B. bittet er einen Kollegen, für ihn einzustempeln, bevor er tatsächlich zur Arbeit erscheint).
  • Der Beschäftigte schreibt Pausen nicht auf (z.B. trägt er im Zeiterfassungssystem seine Mittagspause nicht ein).
  • Der Mitarbeiter missbraucht Regelungen zum Home-Office (z.B. geht er einkaufen, anstatt zu arbeiten).
  • Der Arbeitnehmer geht am Arbeitsplatz Freizeitbeschäftigungen nach (z.B. surft er im Internet oder führt private Telefonate, obwohl der Arbeitsvertrag dies nicht erlaubt).

Beim Arbeitszeitbetrug täuscht der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber also über die geleistete Arbeitszeit. Versucht er hingegen gar nicht, seinen Arbeitgeber zu täuschen, sondern verstößt lediglich gegen die vereinbarten Arbeitszeiten, handelt es sich nicht um einen Arbeitszeitbetrug. Stattdessen spricht man von einem „Arbeitszeitverstoß“.

Beispiel: Arbeitnehmer A soll laut Arbeitsvertrag um 8 Uhr morgens mit der Arbeit beginnen. Er kommt jedoch täglich erst um 8:30 Uhr. Hier verstößt A zwar gegen die Arbeitszeitregelungen, er täuscht seinen Arbeitgeber jedoch nicht. Es handelt sich daher lediglich um einen Arbeitszeitverstoß und nicht um Arbeitszeitbetrug.

Ist eine Kündigung wegen Arbeitszeitbetrugs möglich?

Der Arbeitszeitbetrug ist ein Verstoß gegen die Pflichten des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsvertrag und kann daher grundsätzlich eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen. Die Kündigung wird meist mit Frist ausgesprochen. Im Ausnahmefall kann der Arbeitnehmer sogar fristlos gekündigt werden. Vor einer Kündigung ist zwar in der Regel, aber nicht immer eine Abmahnung notwendig. Näheres zur fristlosen Kündigung und zur Abmahnung erläutern wir Ihnen unten genauer.

Arbeitnehmer sollten bei der Erfassung Ihrer Arbeitszeiten daher unbedingt korrekt vorgehen und einen Arbeitszeitbetrug nicht auf die leichte Schulter nehmen, sofern sie keine Kündigung riskieren möchten.

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Zuletzt ein Hinweis: Ein Arbeitszeitverstoß wiegt in der Regel weniger schwer als ein Arbeitszeitbetrug. Das bedeutet aber nicht, dass ein Arbeitszeitverstoß keine Folgen hat. Auch hier kann bei schweren oder wiederholten Fällen die Kündigung drohen.

Wann ist eine fristlose Kündigung wegen Arbeitszeitbetrugs zulässig?

Der Arbeitszeitbetrug kann in manchen Fällen sogar eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Dann endet das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der Kündigungsfrist mit sofortiger Wirkung. Eine fristlose Kündigung ist aber nur dann möglich, wenn dem Arbeitgeber nicht mehr zuzumuten ist, den Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Kündigungsfrist weiter zu beschäftigen.

Ob dem Arbeitgeber noch zuzumuten ist, das Arbeitsverhältnis fortzuführen, ist immer einer Frage des Einzelfalls. Insbesondere geht es darum, wie schwer die Pflichtverletzung durch den Arbeitnehmer wiegt:

  • Wie lange und in welchem Umfang schummelt der Arbeitnehmer?
  • Betrügt er seinen Arbeitgeber mit Absicht?
  • Manipuliert er sogar bewusst technische Einrichtungen wie Stechuhren?

Hierzu folgendes Beispiel aus der Rechtsprechung (angelehnt an LAG Baden-Württemberg, Urteil v. 29. Mai 2018, 19 Sa 61/17):

Arbeitnehmer A arbeitet als Abteilungsleiter. Seine Überstunden dokumentiert er monatlich und lässt sie sich auszahlen. Nach einiger Zeit fällt der Personalabteilung die verdächtig hohe Anzahl an Überstunden auf. Hierzu erklärt A: Er habe sich monatlich sieben Überstunden eingetragen als Ausgleich für eine Zulage, die im verweigert werde. Diese (insgesamt 168) Überstunden habe er nicht tatsächlich geleistet, sie repräsentierten vielmehr den ihm zustehenden Zuschlag. Seine Arbeitgeberin kündigt ihm fristlos.

A wehrt sich gegen die Kündigung. Das Gericht sieht die Kündigung aber als rechtmäßig an: A habe seine Arbeitgeberin bewusst über seine Überstunden getäuscht. Der Arbeitszeitbetrug sei auch nicht nur einmalig, sondern über Monate hinweg erfolgt. Aufgrund der Schwere und der Länge des Arbeitszeitbetrugs, sei eine Weiterbeschäftigung des A unzumutbar. Die fristlose Kündigung sei daher möglich.

Wie kann der Arbeitgeber einen Arbeitszeitbetrug nachweisen?

Wenn der Arbeitnehmer die Kündigung nicht akzeptieren will, kann er vor Gericht Kündigungsschutzklage erheben. Die gute Nachricht für Arbeitnehmer: Der Arbeitgeber muss den Arbeitszeitbetrug beweisen. Das kann unter Umständen schwierig sein.

Oftmals benötigt der Arbeitgeber daher eine Kombination aus Beweismitteln:

  • Unterlagen, zum Beispiel Excel-Tabellen mit eingetragenen Arbeitszeiten, zeigen, welche Arbeitszeiten der Arbeitnehmer angegeben hat.
  • Zeugen (in der Regel Kollegen oder Vorgesetzte) können aussagen, dass der Arbeitnehmer zu bestimmten Zeiten gar nicht am Arbeitsplatz war.

In manchen Fällen beauftragen Arbeitgeber sogar Privatdetektive, die über das Verhalten des Arbeitnehmers Bericht erstatten sollen. Das kann vor allem dann passieren, wenn der Arbeitgeber den Arbeitszeitbetrug ansonsten nur schwer beweisen kann.

Beispiel: Der Arbeitnehmer arbeitet im Home-Office, aber Kollegen berichten, den Arbeitnehmer zu dessen Arbeitszeit im Supermarkt gesehen zu haben.

Vorsicht ist für den Arbeitgeber aber bei Überwachung am Arbeitsplatz geboten. In der Regel darf der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht filmen. Auch eine elektronische Überwachung durch sogenannte „Keylogger“ ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht erlaubt (BAG, Urteil v. 27.07.2017, 2 AZR 681/16).

Aber Achtung: Nicht jede Überwachung ist verboten. Wenn dem Arbeitgeber konkrete Anhaltspunkte für eine schwere Verfehlung des Arbeitnehmers vorliegen, kann eine Überwachung unter Umständen gestattet sein.

Hierbei handelt es sich aber um eine Ausnahme. Der Arbeitgeber bewegt sich bei der Überwachung seiner Arbeitnehmer oft auf rechtlich unsicherem Gelände.

Muss der Arbeitgeber wegen Arbeitszeitbetrugs zunächst abmahnen?

Bevor der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer wegen seines Verhaltens mit oder ohne Frist kündigt, muss er ihn grundsätzlich erst abmahnen. Durch die Abmahnung soll der Arbeitnehmer die Chance erhalten, sein Verhalten zu ändern und die Kündigung zu verhindern. Die Grundregel lautet daher: Ohne Abmahnung keine Kündigung.

Es gibt aber auch Fälle, in denen eine Abmahnung nicht nötig ist. Der Arbeitgeber muss bei einem Arbeitszeitbetrug insbesondere in den folgenden Fällen nicht abmahnen:

  • Der Arbeitnehmer ist erkennbar nicht bereit, sein Verhalten zu ändern. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn der Arbeitnehmer ausdrücklich erklärt oder unmissverständlich zeigt, er werde sich auch zukünftig nicht an die vorgegebenen Regeln halten.
  • Der Arbeitnehmer wusste schon vorher, dass er sich nicht korrekt verhält oder das musste ihm zumindest klar sein, beispielsweise weil er schon vorher vor solchen Verstößen gewarnt wurde.
  • Der Arbeitszeitbetrug wiegt so schwer, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber nicht mehr wiederhergestellt werden kann. Das kann zum Beispiel bei langjährigem Fälschen von Zeiterfassungsformularen und einem hohen Schaden für den Arbeitgeber der Fall sein.

Die Anforderungen an eine Kündigung ohne Abmahnung sind jedoch hoch, wie der folgende Fall aus der Rechtsprechung zeigt (nach LAG Berlin-Brandenburg, Urteil v 30.03.2012, 10 Sa 2272/11):

Arbeitnehmerin A ist seit 19 Jahren als Sachbearbeiterin beschäftigt. Die Arbeitszeiten werden täglich in ein Excel-Dokument eingetragen. Eine Betriebsrichtlinie erwähnt explizit, dass ein Arbeitszeitbetrug zu einer fristlosen Kündigung führt. A trägt an einem Tag als Arbeitsende 16:00 Uhr ein, obwohl sie schon um 15:30 Uhr geht. An einem anderen Tag geht sie um 15:30 Uhr und trägt als Arbeitsende 16:30 Uhr ein. Ihre Arbeitgeberin kündigt ihr aufgrund dieses Arbeitszeitbetrugs ohne Abmahnung fristlos.

Das Landesarbeitsgericht erklärte die Kündigung für unwirksam. Grundsätzlich sei ein solcher Arbeitszeitbetrug zwar ein Grund für eine fristlose Kündigung, in diesem konkreten Fall hätte die Arbeitgeberin aber zuerst abmahnen müssen. Der Arbeitszeitbetrug sei nicht so schwer, dass ihre Arbeitgeberin der A auch nach einer Abmahnung nicht mehr hätte vertrauen können. Dafür spräche vor allem, dass A fast 20 Jahre ohne Beanstandung für ihre Arbeitgeberin gearbeitet habe.

Ob eine Abmahnung ausnahmsweise nicht erforderlich ist, ist daher immer Sache des Einzelfalls. Oft kann eine Kündigung ohne Abmahnung aber erfolgreich angegriffen werden.

Ist Arbeitszeitbetrug trotz Vertrauensarbeitszeit möglich?

Bei der Vertrauensarbeitszeit kann sich der Arbeitnehmer seine Arbeitszeit frei einteilen. Es wird also auf eine Kontrolle der vertraglich vereinbarten Arbeitszeiten verzichtet. Der Arbeitnehmer muss die vereinbarten wöchentlichen oder monatlichen Arbeitsstunden aber weiterhin leisten. Nur bei deren Verteilung ist er frei. Er kann also frei bestimmen, wann er arbeitet, aber nicht wie viel er arbeitet.

Geht der Arbeitnehmer während seiner Vertrauensarbeitszeit privaten Tätigkeiten nach, handelt es sich also nicht um Arbeitszeitbetrug. Denn die Arbeitszeiten legt er ja selbst fest. Anders sieht es aus, wenn der Arbeitnehmer die wöchentliche oder monatliche Mindestarbeitszeit unterschreitet und seinem Arbeitgeber gegenüber das Gegenteil behauptet. Der Nachweis eines solchen Verstoßes ist für den Arbeitgeber bei der Vertrauensarbeitszeit aber besonders schwierig.

5 Fragen zum Arbeitszeitbetrug im Home Office

Seit der Coronakrise nimmt die Anzahl der im Home-Office beschäftigten Arbeitnehmer zu: Laut dem Statistischen Bundesamt arbeiteten 2019 nur ca. 13 % aller Arbeitnehmer im Home-Office. Bei einer Umfrage der IHK Berlin gaben im Sommer 2020 hingegen ca. zwei Drittel aller befragten Unternehmer an, in ihrem Unternehmen seit der Coronakrise verstärkt auf Arbeit im Home-Office zu setzen. In derselben Umfrage erklärten ca. 70% der Teilnehmer, in Zukunft mehr Home-Office oder hybride Lösungen anzustreben.

5 Fragen zum Arbeitszeitbetrug im Home Office

5 Fragen zum Arbeitszeitbetrug im Home Office

Daher stellen sich viele Arbeitnehmer diese Fragen:

  1. Welche Arbeitszeit gilt im Home-Office?

Grundsätzlich gilt: Durch die Einführung von Home-Office wird das Arbeitsverhältnis im Übrigen nicht verändert. Das heißt, dass die im Arbeitsvertrag vereinbarte Arbeitszeit auch im Home-Office gilt. Je nach Vereinbarung gelten also feste Arbeitszeiten, Gleitzeit oder Vertrauensarbeitszeit. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können aber natürlich auch eine neue Regelung für das Home-Office treffen und den Arbeitsvertrag entsprechend anpassen.

  1. Wann liegt ein Arbeitszeitbetrug im Home-Office vor?

Es gelten die allgemeinen Grundsätze (siehe oben).

Beispiele für einen Arbeitszeitbetrug im Home-Office:

  • Der Arbeitnehmer geht während seiner Arbeitszeit einkaufen, anstatt zu arbeiten. Zwar sind kürzere Unterbrechungen wie der Gang zur Toilette nicht als Unterbrechung der Arbeitszeit zu sehen; ein Einkauf nimmt aber in der Regel nicht nur wenige Minuten in Anspruch. Er darf daher nicht als Arbeitszeit angerechnet werden.
  • Der Arbeitnehmer loggt sich am Morgen am PC ins Firmennetz ein, verbringt die nächsten Stunden aber mit anderen Tätigkeiten als der Arbeit.
  • Ein Arbeitnehmer tritt einem Online-Meeting mit ausgeschalteter Kamera und stummgeschaltet bei. Daraufhin verlässt er den Raum und verfolgt das Meeting nicht.

Wurde Vertrauensarbeitszeit vereinbart, gelten weniger strenge Maßstäbe (s.o.).

  1. Wie kann man den Arbeitszeitbetrug im Home-Office beweisen?

Der Arbeitgeber trägt die Beweislast. Das heißt, dass er vor Gericht den – behaupteten -Arbeitszeitbetrug des Arbeitnehmers beweisen muss. Dies kann den Arbeitgeber bei der Arbeit aus dem Home-Office vor Herausforderungen stellen. Denn anders als bei der Arbeit vor Ort gibt es keinen direkten persönlichen Kontakt. Zudem muss der Arbeitgeber die häusliche Privatsphäre des Arbeitnehmers respektieren.

Arbeitgeber sehen sich deshalb oft gezwungen, zu Überwachungsmaßnahmen zu greifen, d.h. etwa Privatdetektive einzuschalten oder während Videokonferenzen Screenshots zu machen. Diese und andere Maßnahmen können aber Eingriffe in Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers sein. Daher sind sie vor Gericht oft nicht verwertbar. Hier einige Beispiele:

  • Der Einsatz von Privatdetektiven oder einer Software, die Tastatureingaben des Arbeitnehmers aufzeichnet, sind nur zulässig, wenn ein konkreter Verdacht auf einen Arbeitszeitbetrug besteht. Dieser kann daraus resultieren, dass der Arbeitnehmer im Home Office fast nie zu erreichen ist und die Arbeitsergebnisse von einem stark verminderten Zeiteinsatz zeugen.
  • Ähnliches muss man für das Anfertigen von Screenshots während einer Videokonferenz annehmen.
  • Der Arbeitgeber darf bei entsprechendem Verdacht Einsicht in den digitalen Terminkalender des Mitarbeiters nehmen. Sind dort während der Arbeitszeit private Termine notiert, spricht dies für einen Arbeitszeitbetrug. In der Regel darf der Arbeitgeber den Kalender aber nur in Anwesenheit des Mitarbeiters einsehen und den Datenschutzbeauftragten hinzuziehen (LAG Rheinland-Pfalz, 8 Sa 363/14).
  • Viele Unternehmen nutzen Online-Datenbanken, auf die ganze Teams Zugriff haben. Dort ist meist notiert, wer zu welchem Zeitpunkt Änderungen vorgenommen hat. Ob der Arbeitgeber diese Daten heranziehen darf, um einen Arbeitszeitbetrug zu beweisen, hängt vom Einzelfall ab (LAG Köln, 2 Sa 181/14). Die Erhebung der Daten ist jedenfalls hinzunehmen, wenn der Arbeitgeber aus betrieblichen Gründen auf das System angewiesen ist.

Ein häufiges Beweismittel sind Zeugen, in der Regel Kollegen und Vorgesetzte des Arbeitnehmers. Im Home-Office sind diese Personen zwar in der Regel nicht vor Ort, trotzdem sind Beobachtungen von Zeugen nicht ausgeschlossen.

Beispiele:

  • Der Arbeitnehmer arbeitet im Home-Office, aber Kollegen berichten, den Arbeitnehmer zu dessen Arbeitszeit im Supermarkt gesehen zu haben.
  • Die Kollegen berichten, dass der Arbeitnehmer während eines Video-Calls anderweitig beschäftigt war.
  1. Reicht schon der Verdacht eines Arbeitszeitbetrugs?

Unter engen Voraussetzungen kann der Arbeitgeber allein wegen des Verdachts einer schweren Pflichtverletzung des Arbeitnehmers fristlos gem. § 626 BGB kündigen, sog. Verdachtskündigung. Eine bloße Vermutung reicht aber nicht aus. Vielmehr muss ein dringender und schwerwiegender Verdacht vorliegen, der auf objektiven Tatsachen beruht. Dieser Verdacht muss geeignet sein, das Vertrauen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer endgültig zu zerstören.

Beispiele:

  • Der Arbeitgeber sieht immer wieder, dass der Arbeitnehmer in den sozialen Netzwerken öffentlich Beiträge postet, in denen er während der Arbeitszeit unterwegs zu sein scheint.
  • Der Arbeitnehmer macht widersprüchliche Angaben zu der Frage, ob er einer Nebenbeschäftigung nachgeht (AG Saarland, Urteil vom 10.02.2021 – 6 Ca 667/20, siehe unten).

Für die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung ist eine Anhörung des betroffenen Arbeitnehmers erforderlich, bei der er sich zur Sache äußern kann. Zudem sind die allgemeinen, sehr strengen Voraussetzungen der fristlosen Kündigung zu beachten, etwa:

  • Arbeitgeber haben ab Kenntnis des Vorwurfs nur zwei Wochen Zeit, um die Kündigung auszusprechen. Anschließend kommt allenfalls noch eine fristgerechte Kündigung in Betracht.
  • Der Vorwurf muss sehr schwer wiegen (insbesondere massiver Arbeitszeitbetrug über längere Zeit).
  • Der Betriebsrat ist zuvor anzuhören.

Wie immer bei Kündigungen gilt, dass Sie schnell handeln müssen, wenn Sie eine Kündigung erhalten haben. Denn nach Ablauf der dreiwöchigen Klagefrist können Sie nichts mehr gegen Ihre Entlassung tun.

  1. Welche Urteile zum Arbeitszeitbetrug im Home-Office gibt es? 

Das Arbeitsgericht Saarland entschied im Februar 2021 folgenden Fall (Urteil vom 10.02.2021 – 6 Ca 667/20), der sich vor der Coronapandemie abspielte: Ein Arbeitnehmer arbeitete zum Teil im Home-Office. Vormittags arbeitete er im Büro, welches er mittags verließ, um seine Kinder von der Schule abzuholen. Nachmittags loggte er sich Zuhause in das Betriebssystem des Arbeitgebers ein. Es bestand aber der begründete Verdacht, dass der Arbeitnehmer in Wahrheit nachmittags gar nicht im Home-Office für den Arbeitgeber arbeitete, sondern einer nicht abgesprochenen Nebentätigkeit nachging. Der Arbeitgeber sprach daher eine fristlose Verdachtskündigung aus, die das Gericht ablehnte. Allerdings bestätigte das Gericht die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung.

Noch weniger arbeitnehmerfreundlich urteilte das LAG Köln (Urteil vom 29.9.2014 – 2 Sa 181/14): Eine Arbeitnehmerin arbeitete seit fast 15 Jahren beim Arbeitgeber. Sie trug in einem Zeitraum von 10 Arbeitstagen insgesamt ca. 16 Stunden zu viel in die von ihr selbst geführte Arbeitszeiterfassung ein. Sie tat dies stets an den Tagen, an denen sie im Home-Office arbeitete. In ihrem Fall reichte dies für eine fristlose Kündigung ohne Abmahnung aus.

Was können Arbeitnehmer nach einer Kündigung tun?

Sie sollten schnell handeln! Nach Zugang der Kündigung bleiben nur drei Wochen, um die Entlassung per Klage anzugreifen. Verstreicht diese Frist, ist der Arbeitsplatz endgültig verloren und auch eine Abfindung meist unrealistisch.

Oft ist die Kündigung fehlerhaft und lässt sich aus der Welt schaffen. Wer den Betrieb ohnehin lieber verlassen möchte, erreicht vor Gericht in fast allen Fällen eine Abfindung.

Herr Dr. Drees berät Sie, ob sich eine Klage in Ihrem Fall lohnt.

Fazit

  • Wenn der Arbeitnehmer sich bewusst für nicht geleistete Arbeitszeit bezahlen lässt, begeht er einen Arbeitszeitbetrug.
  • Der Arbeitszeitbetrug kann sowohl eine fristgemäße als auch eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Eine fristlose Kündigung ist aber nur bei einem besonders schweren Arbeitszeitbetrug zulässig.
  • Grundsätzlich ist eine Abmahnung vor der Kündigung wegen Arbeitszeitbetrugs notwendig. Nur ausnahmsweise ist diese Abmahnung entbehrlich.
  • Der Arbeitgeber muss den Arbeitszeitbetrug vor Gericht beweisen.
  • Unzulässig ist in der Regel die durchgehende Überwachung am Arbeitsplatz.
  • Auch bei vereinbarter Vertrauensarbeitszeit ist ein Arbeitszeitbetrug denkbar, wenn der Arbeitnehmer über die Gesamtzahl der geleisteten Stunden täuscht.
  • Im Home Office gelten an sich keine Besonderheiten. Allerdings fällt es dem Arbeitgeber oft schwerer, den Arbeitszeitbetrug zu beweisen.
  • Für eine Klage bleiben nach Zugang der Kündigung nur drei Wochen.