Verdachtskündigung – Anhörung, Abfindung & Voraussetzungen
Wenn der Arbeitgeber Sie wegen eines bloßen Verdachts kündigt, spricht man von einer sog. Verdachtskündigung. Allein ein Verdacht kann – muss aber nicht – für eine Kündigung ausreichen. Die Verdachtskündigung hängt nämlich von hohen Voraussetzungen ab. Unter anderem muss eine Anhörung stattgefunden haben. Wir erklären, was Sie zur Verdachtskündigung und einer möglichen Abfindung wissen müssen.
Welche Voraussetzungen hat die Verdachtskündigung?
Bei der Verdachtskündigung stützt sich der Arbeitgeber auf den dringenden Verdacht einer vom Arbeitnehmer begangenen Straftat oder einer schweren Pflichtverletzung. Die Besonderheit liegt darin, dass der Kündigungsgrund nur auf einem dringenden Verdacht – und nicht auf einer tatsächlich erwiesenen Straftat oder Pflichtverletzung – beruht.
Die Anforderungen an eine Verdachtskündigung sind deshalb besonders hoch:
- Der Verdacht richtet sich auf ein schweres, für das Arbeitsverhältnis relevantes Fehlverhalten. Dabei muss diese Pflichtverletzung so schwerwiegend sein, dass sie, falls sie beweisbar wäre, eine außerordentliche und fristlose Kündigung rechtfertigen würde.
- Der Verdacht ist dringend und von erheblichem Gewicht. Das heißt, es besteht eine große Wahrscheinlichkeit, dass der Verdacht zutrifft. Ein bloßes Misstrauen oder eine mehr oder weniger begründete Vermutung reichen nicht aus.
- Für den Verdacht liegen konkrete, objektiv nachweisbare Tatsachen vor. Diese schlüssig darzulegen, ist ebenfalls Sache des Arbeitgebers.
- Der Arbeitgeber hat alles Zumutbare getan, um den Verdacht aufzuklären. Er ist unter anderen verpflichtet, den Arbeitnehmer vor Ausspruch der Verdachtskündigung anzuhören.
Sind alle diese Voraussetzungen erfüllt, ist eine Verdachtskündigung wirksam. Denn die Rechtsprechung geht dann davon aus, dass der dringende Verdacht das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen in die Rechtstreue des Arbeitnehmers zerstört oder in anderer Hinsicht das Arbeitsverhältnis unzumutbar belastet (BAG 21.6.2012 – 2 AZR 695/11).
Allerdings hängt stark vom Einzelfall ab, ob die Voraussetzungen tatsächlich vorliegen. Die Hürden sind ausgesprochen hoch. Sollten die Anforderungen nicht erfüllt sein, liegt eine Kündigung ohne Grund vor. Daher lohnt sich nach einer Verdachtskündigung fast immer die Beratung durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht.
Achtung: Sie haben ab Zugang der Kündigung nur drei Wochen Zeit, um gegen die Kündigung zu klagen. Wenn Sie die Frist der Kündigungsschutzklage verstreichen lassen, ist Ihre Stelle endgültig verloren.
Was ist bei der Anhörung vor einer Verdachtskündigung zu beachten?
Eine Verdachtskündigung setzt voraus, dass der Arbeitgeber alles ihm Zumutbare unternimmt, um den Sachverhalt aufzuklären. Denn schließlich ist es möglich, dass der Arbeitnehmer unschuldig ist und die schwere Pflichtverletzung oder Straftat gar nicht begangen hat. Zu dieser umfassenden Aufklärungspflicht gehört auch die Anhörung des Arbeitnehmers. Ohne sie ist die Verdachtskündigung rechtswidrig. Der Verdacht einer schweren Pflichtverletzung rechtfertigt die Kündigung nur dann, wenn der Arbeitnehmer den Verdacht in der Anhörung nicht entkräften kann.
Der Ablauf der Anhörung ist nicht genau geregelt. Sie findet regelmäßig schriftlich statt. Bevor Sie auf das Schreiben antworten, sollten Sie den Rat eines Fachanwalts in Anspruch nehmen. Sonst besteht das Risiko, dass Sie den Verdacht mit Ihren Aussagen erhärten.
Die Anhörung muss sich auf einen konkreten Sachverhalt beziehen und alle wesentlichen Umstände umfassen, die den Verdacht begründen – aber auch den Arbeitgeber entlasten.
Verschweigt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer wesentliche Tatsachen, erfüllt die Anhörung nicht ihren Zweck. Die Verdachtskündigung ist dann angreifbar. Gleiches gilt, wenn der Arbeitgeber keine substantiierten Vorwürfe erhebt.
Die Anhörung dient der Aufklärung des Sachverhalts und damit dem Schutz des Arbeitnehmers. Weigert sich dieser daher grundlos, sich zu den Vorwürfen zu äußern, ist eine Anhörung überflüssig. In diesem Fall ist der Arbeitgeber nicht einmal verpflichtet, den Arbeitnehmer über die Verdachtsmomente zu informieren.
Gibt es eine Frist für die Anhörung?
Der Arbeitgeber muss sicherstellen, dass die Anhörung rechtzeitig erfolgt. Sobald der Arbeitgeber einen konkreten Verdacht hat, muss er die Anhörung in der Regel innerhalb einer Woche durchführen.
Dies hat folgenden Grund: Bei einer außerordentlichen Verdachtskündigung muss der Arbeitgeber die Kündigung innerhalb von zwei Wochen aussprechen, nachdem er von dem Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat. Diese Frist beginnt aber erst zu laufen, wenn der Arbeitgeber eine zuverlässige und möglichst vollständige Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen erlangt hat. Bei einer Verdachtskündigung ist dies mit Abschluss der Anhörung der Fall. Allerdings darf der Arbeitgeber diesen Zeitpunkt nicht unbegrenzt hinausschieben.
Da die Anhörung der Sachverhaltsaufklärung dient, kann sich das gesamte Verfahren – je nach Einzelfall – auch länger hinziehen:
- Geht es um ein strafbares Verhalten des Arbeitnehmers, kann der Arbeitgeber den Fortgang und das Ergebnis eines Ermittlungs- und Strafverfahrens abwarten und unabhängig davon zu einem nicht willkürlich gewählten Zeitpunkt kündigen, sofern ein sachlicher Grund vorliegt.
- Sind dem Arbeitgeber vor der Verurteilung zwar Verdachtsmomente bekannt geworden, die aber noch keine sichere Kenntnis der Tatbegehung selbst begründen, kann er ebenfalls den Ausgang des Strafverfahrens abwarten. Das gilt insbesondere dann, wenn es ihm darauf ankommt, auf der Grundlage des Urteils zu entscheiden, ob das Vertrauensverhältnis zu seinem Arbeitnehmer zerstört ist.
Typische Gründe einer Verdachtskündigung
Steht der Arbeitnehmer in Verdacht, in erheblicher Weise gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen zu haben, droht ihm eine Verdachtskündigung. Hier kommen schwere Pflichtverstöße und Straftaten im Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz in Betracht:
- Diebstahl am Arbeitsplatz: Hat der Arbeitgeber den dringenden Verdacht, dass ein Mitarbeiter Firmeneigentum stiehlt, kann das Grundlage einer Verdachtskündigung sein.
- Arbeitszeitbetrug: Manipuliert der Arbeitnehmer die Arbeitszeiterfassung, rechtfertigt dies die Kündigung. Ein im Jobcenter beschäftigter Arbeitnehmer buchte sich aller Wahrscheinlichkeit von zuhause in das Zeiterfassungssystem ein, nahm die Arbeit aber erst später im Dienstgebäude auf. Die Verdachtskündigung war wirksam (LAG M-V, Urteil v. 28. März 2023, Az. 5 Sa 128/22).
- Außerdem: Krankfeiern, Betrug bei der Spesenabrechnung, Sexuelle Belästigung von Arbeitskollegen, Tätlichkeiten und grobe Beleidigungen, Verrat von Geschäftsgeheimnissen…
Ein Verdacht bei kleineren Pflichtverstößen wie häufiges Zuspätkommen, schlampiges Arbeiten oder Versäumnisse bei Krankmeldungen reichen nicht aus – selbst, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vorher schon einmal abgemahnt hat.
Ist eine fristlose Verdachtskündigung möglich?
Eine Verdachtskündigung ist in der Regel eine fristlose Kündigung.
Wichtig: Wie bereits erwähnt, ist die fristlose Verdachtskündigung nur wirksam, wenn der Arbeitgeber die Kündigung innerhalb von zwei Wochen nach der Anhörung ausspricht. Sollte ein längerer Zeitraum zwischen beiden Zeitpunkten liegen, haben Sie gute Chancen, die Verdachtskündigung erfolgreich anzugreifen.
Um dem Arbeitnehmer entgegenzukommen, steht es dem Arbeitgeber frei, die Kündigung an eine Frist zu knüpfen. In der Praxis sieht es meist so aus: Der Arbeitgeber kündigt dem Arbeitnehmer fristlos durch eine Verdachtskündigung. Gleichzeitig erklärt er hilfsweise eine ordentliche Verdachtskündigung. Letzteres geschieht für den Fall, dass die Verdachtskündigung vor Gericht nicht standhält.
Aber Achtung: Auch bei einer ordentlichen Verdachtskündigung müssen die oben beschriebenen engen Voraussetzungen erfüllt sein (BAG, Urteil v. 21.11.2013, 2 AZR 797/11). Der Vorteil bei einer ordentlichen Verdachtskündigung besteht lediglich darin, dass der Arbeitgeber die Kündigung nicht innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis des Kündigungsgrundes aussprechen muss.
Dem Arbeitgeber bleibt es daneben noch übrig, sich mit der ordentlichen Kündigung auf einen ganz anderen Kündigungsgrund zu stützen.
Abfindung nach einer Verdachtskündigung
Ein gesetzlicher Anspruch auf eine Abfindung nach der Verdachtskündigung besteht nicht. Dennoch sind entsprechende Vereinbarungen häufig.
Da sich die Verdachtskündigung lediglich auf einen Verdacht stützt, sind die Anforderungen an ihre Wirksamkeit hoch. Es kommt daher oft vor, dass die Indizien und Beweise des Arbeitgebers vor Gericht nicht ausreichen, um eine wirksame Verdachtskündigung durchzusetzen.
Der Arbeitgeber steht dann vor dem großen Risiko, dass er das Verfahren verliert und Sie wiedereinstellen muss. Außerdem können Sie den gesamten Lohn ab Ablauf der Kündigungsfrist verlangen, obwohl Sie in der Zeit nicht gearbeitet haben. Zudem ist das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien ohnehin geschädigt.
Häufig bietet der Arbeitgeber deshalb eine Abfindung an. Im Gegenzug verzichten Sie auf eine Kündigungsschutzklage oder nehmen diese zurück.
Die Höhe der Abfindung hängt stark davon ab, wie wahrscheinlich Sie als Arbeitnehmer vor Gericht Recht erhalten hätten. Je eher das Gericht die Verdachtskündigung für unwirksam erklärt hätte, desto höhere Beträge wird der Arbeitgeber zu zahlen bereit sein.
Die klassische Faustformel lautet: 0,5 Bruttomonatsgehälter x Anzahl der Beschäftigungsjahre bei dem Unternehmen. Die Abfindung kann aber auch deutlich höher ausfallen.
Hier erfahren Sie mehr dazu, wie Sie die Abfindung in die Höhe treiben.
Arbeitslosengeld nach Verdachtskündigung
Bei einer Verdachtskündigung verliert der Arbeitnehmer nicht grundsätzlich seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. In bestimmten Fällen droht jedoch eine Sperrzeit von 12 Wochen. In dieser Zeit erhalten Sie kein Arbeitslosengeld. Die Agentur für Arbeit verhängt eine Sperrzeit, wenn der Arbeitnehmer die Beendigung des Arbeitsverhältnisses selbst verschuldet hat, z.B. bei Fehlverhalten oder eigener Kündigung. Im Falle einer Verdachtskündigung gilt Folgendes:
- Der bloße Verdacht eines arbeitsvertragswidrigen oder strafbaren Verhaltens allein führt noch nicht zu einer Sperrzeit. Solange dem Arbeitnehmer nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden kann, dass er sich vertragswidrig verhalten hat, darf die Agentur für Arbeit keine Sperrzeit verhängen.
- Eine Verdachtskündigung führt nur dann zu einer Sperrzeit, wenn sich der Verdacht bestätigt, der Arbeitnehmer also nicht unschuldig ist.
- Eine Sperrzeit kommt auch in Betracht, wenn sich der Arbeitnehmer z.B. bei der Anhörung widersetzt und die Mitwirkung an der Aufklärung des Sachverhalts verweigert.
Was ist eine Tatkündigung samt hilfsweiser Verdachtskündigung?
Bei einer Tatkündigung mit hilfsweise ausgesprochener Verdachtskündigung stützt der Arbeitgeber zwei Kündigungen auf ein und denselben Sachverhalt.
Er kündigt zunächst wegen der (aus seiner Sicht) tatsächlich und nachweislich begangenen schweren Pflichtverletzung oder Straftat. Für den Fall, dass das Arbeitsgericht die vorgebrachten Beweise und Argumente nicht für ausreichend hält, spricht er hilfsweise eine Verdachtskündigung wegen desselben Fehlverhaltens aus.
Denn: Auch wenn die Nachweise des Arbeitgebers die Tat nicht abschließend beweisen, können sie gegebenenfalls einen dringenden Tatverdacht begründen und die Voraussetzungen für eine Verdachtskündigung erfüllen.
Fazit
- Besteht der dringende Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung, kann der Arbeitgeber eine Verdachtskündigung aussprechen.
- Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer in einer Anhörung die Möglichkeit geben, sich umfassend zu dem Verdacht zu äußern.
- Typische Gründe für eine Verdachtskündigung sind Diebstahl und Betrug am Arbeitsplatz, Arbeitszeitbetrug und sexuelle Belästigung.
- Eine Verdachtskündigung ist in der Regel eine fristlose Kündigung, kann vom Arbeitgeber aber auch als ordentliche Kündigung ausgesprochen werden.
- Wegen der hohen Wirksamkeitsanforderungen einigen sich die Parteien im Zweifelsfall häufig auf eine Abfindung.
- Nur wenn sich der Verdacht später bestätigt oder der Arbeitnehmer sich der Aufklärung verweigert, droht ihm bei einer Verdachtskündigung eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld.
- Bei einer Tatkündigung samt hilfsweiser Verdachtskündigung kündigt der Arbeitgeber erst wegen eines tatsächlichen, (vermeintlich) nachweisebaren Fehlverhaltens und sichert die Kündigung mit einer Verdachtskündigung ab.
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