Betriebsbedingte Änderungskündigung: Ihre Rechte, Pflichten und Optionen

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Eine betriebsbedingte Änderungskündigung ist formell eine Kündigung, gleichzeitig aber ein verändertes neues Arbeitsangebot. Betroffene fragen sich: Was steckt hinter dieser besonderen Kündigungsform? Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein? Wie funktioniert die Sozialauswahl? Und wie steht es um eine Abfindung? Im Folgenden erhalten Sie einen ausführlichen Überblick.

Rechtsanwalt-Dr.-Drees-aus-Bonn Der Autor: Dr. Drees aus Bonn, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht

Herr Dr. Drees ist seit vielen Jahren als Fachanwalt für Arbeitsrecht tätig. Mandanten aus ganz Deutschland wenden sich an ihn, die eine betriebsbedingte Änderungskündigung erhalten haben. Die Erfahrungen aus diesen Verfahren bilden die Grundlage für diesen Beitrag von Herrn Dr. Drees.

 

Inhaltsverzeichnis

 

Was ist eine betriebsbedingte Änderungskündigung?

Betriebsbedingt ist eine Kündigung dann, wenn sie aus Belangen des Unternehmens erfolgt. Kennzeichnend ist, dass nicht das Verhalten oder die Person des Arbeitnehmers ausschlaggebend ist. Stattdessen erfordert die organisatorische oder wirtschaftliche Situation des Betriebs den Abbau oder die Umgestaltung des Arbeitsplatzes.

Die Änderungskündigung ist in §  2 Satz 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) definiert. Der Arbeitgeber beendet das Arbeitsverhältnis per Kündigung und unterbreitet im gleichen Atemzug das Angebot, ab dem Ende der Kündigungsfrist ein neues Arbeitsverhältnis zu geänderten Bedingungen fortzuführen.

Was ist eine betriebsbedingte Änderungskündigung?

Was ist eine betriebsbedingte Änderungskündigung?

Rein rechtlich ist eine Änderungskündigung also zweigliedrig:

  1. Kündigungserklärung: Das Arbeitsverhältnis wird „vorsorglich“ beendet, sofern der Arbeitnehmer dem Angebot nicht zustimmt.
  2. Änderungsangebot: Der Arbeitgeber bietet neue Arbeitsbedingungen an – zum Beispiel eine Veränderung der Vergütung, der Arbeitszeit, des Einsatzortes oder des gesamten Aufgabenbereichs.

Damit unterscheidet sie sich von einer Teilkündigung, bei der lediglich einzelne Arbeitsbedingungen einseitig wegfallen sollen. Eine Teilkündigung ist grundsätzlich unzulässig.

Schlägt der Arbeitnehmer das Änderungsangebot aus, endet sein Arbeitsverhältnis mit Ablauf der jeweiligen Kündigungsfrist. Nimmt er es an, gilt das Arbeitsverhältnis zu den neuen Bedingungen fort. Diese Lösung kann „milder“ als die klassische Beendigungskündigung sein. Sie ist aber keinesfalls frei von strengen rechtlichen Vorgaben.

Meist handelt es sich um eine ordentliche Änderungskündigung. Nur in seltenen Ausnahmefällen kommt eine außerordentliche Änderungskündigung in Betracht, beispielsweise wenn ein Mitarbeiter tarifvertraglich ordentlich unkündbar ist und das Unternehmen sich trotzdem zu umfassenden Umstrukturierungen gezwungen sieht. Dann müsste das geänderte unternehmerische Konzept die Änderung geradezu „erzwingen“.

 

Aus welchen Gründen dürfen Arbeitgeber betriebsbedingte Änderungskündigungen aussprechen?

Sofern das KSchG anwendbar ist – i. d. R. bei Betrieben mit mehr als zehn Arbeitnehmern und einer Betriebszugehörigkeit von mehr als sechs Monaten – muss eine Kündigung stets sozial gerechtfertigt sein: So auch die betriebsbedingte Änderungskündigung.

Aus welchen Gründen dürfen Arbeitgeber betriebsbedingte Änderungskündigungen aussprechen?

Aus welchen Gründen dürfen Arbeitgeber betriebsbedingte Änderungskündigungen aussprechen?

Diese soziale Rechtfertigung richtet sich nach § 1 Abs. 2 KSchG: Es müssen dringende betriebliche Erfordernisse vorliegen, die es für den Arbeitgeber unzumutbar machen, den Arbeitnehmer zu den alten Arbeitsbedingungen weiterhin zu beschäftigen.

Solche dringenden betrieblichen Erfordernisse können sich aus:

  • Außerbetrieblichen Gründen (z. B. starker Auftragsrückgang, allgemeine Wirtschaftskrise) oder
  • Innerbetrieblichen Gründen (z. B. Rationalisierungsmaßnahmen, Umstrukturierungen, Entfall einer Hierarchieebene)

ergeben.

Wichtig ist, dass die unternehmerische Entscheidung echt und konsequent umgesetzt wird. Es ist entscheidend, dass der Arbeitgeber die bisherigen Arbeitsbedingungen nicht mehr gewährleisten kann. Im Umkehrschluss darf der Arbeitgeber auch nicht über das Ziel hinausschießen:

Beispiel: Ein mittelständisches Unternehmen muss aus wirtschaftlichen Gründen Personal abbauen, will aber nicht alle betroffenen Mitarbeiter kündigen. Stattdessen bietet es einer Reihe von Arbeitnehmern an, mit geringerer Arbeitszeit und entsprechend weniger Gehalt weiterzuarbeiten. Wer das Angebot nicht annimmt, dem wird gekündigt. Hier darf der Arbeitgeber nur so viele Änderungskündigungen aussprechen, wie zur Erreichung der betrieblichen Umstrukturierung wirklich erforderlich sind.

Zudem darf der Arbeitgeber die Änderungskündigung nicht zur systematischen Degradierung missbrauchen. Es muss eine unternehmerische Notwendigkeit bestehen.

Beispiel: Ein Betrieb hat bislang mehrere Leitungsebenen; davon soll eine wegfallen, sodass zahlreiche Mitarbeiter ihre Führungsposition einbüßen würden. Es werden Änderungskündigungen ausgesprochen, die eine Rückstufung in niedrigere Vergütungsgruppen bedeuten. Erforderlich ist, dass die unternehmerische Entscheidung, eine Hierarchieebene zu streichen, tatsächlich umgesetzt wird und nicht missbräuchlich nur als Vorwand dient.

 

Muss eine betriebsbedingte Änderungskündigung verhältnismäßig sein?

Ja, unbedingt! Die betriebsbedingte Änderungskündigung ist nur dann erlaubt, wenn sie verhältnismäßig ist. Der Arbeitgeber darf sich nicht für eine Änderungskündigung entscheiden, wenn mildere Mittel das betriebliche Ziel ebenfalls erreichen könnten. Es gilt:

  1. Zwingendes betriebliches Bedürfnis: Ohne die neuen Arbeitsbedingungen kann das Unternehmen den Mitarbeiter wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll beschäftigen.
  2. Kein milderes Mittel: Beispielsweise kann eine einvernehmliche Änderung der Vertragsbedingungen im Wege einer Zusatzvereinbarung nicht erzielbar oder – aus Sicht des Arbeitgebers – nicht ausreichend sein, um die notwendige betriebliche Veränderung zu gewährleisten.
  3. Angemessenheit des Änderungsangebots: Die neuen Bedingungen müssen für den Arbeitnehmer zumutbar sein; er darf nicht stärker als nötig belastet werden (z. B. eine geringere Arbeitszeit statt einer kompletten Beendigung).

Beispiel: Der Arbeitgeber beschließt, bestimmte Standorte zu schließen und an einem zentralen Standort zusammenzulegen. Für einzelne Arbeitnehmer bedeutet dies, dass sich ihr Arbeitsort deutlich ändert (z. B. Umzug in eine andere Stadt). Sie erhalten eine Änderungskündigung mit der Bedingung, am neuen Standort tätig zu werden. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit ist zu bedenken, ob ein so weiter entfernter Arbeitsort zumutbar ist. Bestehen in anderen Niederlassungen mildere Möglichkeiten? Ist die Versetzung ohne Kündigung (innerhalb des Direktionsrechts oder per Versetzungsklausel) möglich? All das entscheidet über die Wirksamkeit.

Fehlt es an der Verhältnismäßigkeit, so ist die Änderungskündigung sozial ungerechtfertigt und damit unwirksam.

 

Welche Rolle spielt die Sozialauswahl bei betriebsbedingten Änderungskündigungen und wie funktioniert sie?

Bei einer betriebsbedingten Änderungskündigung ist – anders als bei verhaltens- oder personenbedingten Kündigungen – eine Sozialauswahl durchzuführen.

Dies setzt zunächst voraus, dass mehrere vergleichbare Arbeitnehmer für vergleichbare Positionen in Betracht kommen.

Welche Rolle spielt die Sozialauswahl bei betriebsbedingten Änderungskündigungen und wie funktioniert sie?

Welche Rolle spielt die Sozialauswahl bei betriebsbedingten Änderungskündigungen und wie funktioniert sie?

Gerade bei einer beabsichtigten Reduzierung des Arbeitsvolumens (z. B. Rückgang von 40 auf 20 Wochenstunden) kann die Situation auftreten, dass Voll- und Teilzeitkräfte in denselben Bereich fallen. Wenn ein Arbeitgeber lediglich eine Halbtagsstelle streichen will, sind sämtliche Beschäftigte, die (grundsätzlich) die betreffende Arbeit ausführen können, in die Sozialauswahl einzubeziehen – auch wenn sie derzeit andere Arbeitszeiten haben.

Ist also der Kreis der untereinander vergleichbaren Arbeitnehmer bestimmt, geschieht die eigentliche Sozialauswahl.

Die gesetzlichen Kriterien aus § 1 Abs. 3 KSchG für die Sozialauswahl,

  • Betriebszugehörigkeit
  • Lebensalter
  • Unterhaltspflichten und
  • Schwerbehinderung,

dürfen nicht durch andere Faktoren erweitert oder „verwässert“ werden. Die Kriterien sind fix und stets zu berücksichtigen. Lesen Sie hier mehr zur Sozialauswahl!

Nicht nur die bisher ausgeführten Tätigkeiten sind für die Auswahl relevant, sondern auch die Tätigkeit der neu angebotenen Beschäftigung. Denn der Arbeitgeber darf beispielsweise nicht einen sehr schutzbedürftigen Arbeitnehmer „herauspicken“, der die Änderung sofort akzeptiert, wenn ein anderer Kollege mit geringerer sozialer Schutzwürdigkeit dieselbe neue Tätigkeit erfüllen könnte. Vor allem bei mehreren freien Positionen mit unterschiedlich starken Änderungseingriffen (z. B. verschiedene Gehaltskürzungen, abweichende Standorte) ist sorgfältig zu prüfen, welchem Arbeitnehmer die „günstigere“ Änderung zuerst angeboten werden muss.

Wichtig: Es muss eine Austauschbarkeit sowohl im Hinblick auf die alte, als auch auf die neue Tätigkeit geprüft werden. Das BAG betont in ständiger Rechtsprechung, dass der Arbeitgeber nur dann gerade diesen Arbeitnehmer mit einer Änderungskündigung belegen darf, wenn er tatsächlich für die neue Rolle geeignet und im Vergleich zu den anderen Arbeitnehmern auch nach den sozialen Kriterien eher heranzuziehen ist (BAG, Urt. v. 12.8.2010 – 2 AZR 945/08).

Fehler in der Sozialauswahl können zur Unwirksamkeit der Änderungskündigung führen. Arbeitnehmer sollten sich daher genau anschauen, ob der Arbeitgeber korrekt und nachvollziehbar vorgegangen ist. Arbeitgeber müssen und sollten ihre entsprechenden Überlegungen dokumentieren.

 

Muss das Kündigungsschreiben schriftlich sein?

Da es sich um eine Kündigung handelt, unterliegt die Änderungskündigung denselben Formvorschriften wie jede andere Kündigungserklärung. Sie bedarf der Schriftform, §  623 BGB.

Das an den Arbeitnehmer gerichtete Änderungsangebot muss dazu klar und eindeutig sein. Er muss zweifelsfrei wissen können, welche neuen Vertragsbedingungen gelten sollen. Ansonsten ist die Änderungskündigung unwirksam!

 

Welche Optionen hat der Arbeitnehmer?

Erhält ein Arbeitnehmer eine betriebsbedingte Änderungskündigung, hat er drei grundsätzliche Optionen:

  1. Annahme des Angebots ohne Vorbehalt: Damit erklärt sich der Arbeitnehmer einverstanden, dass er ab dem vorgesehenen Zeitpunkt zu den neuen Bedingungen weiterbeschäftigt wird. Er verzichtet auf eine gerichtliche Prüfung, ob die Änderung sozial gerechtfertigt ist.
  2. Ablehnung des Angebots: Der Arbeitnehmer nimmt die geänderten Bedingungen nicht an. Dann endet das Arbeitsverhältnis zum Ablauf der Kündigungsfrist, sofern die Kündigung als solche wirksam ist.
  3. Annahme unter Vorbehalt: Hierbei akzeptiert der Arbeitnehmer das Änderungsangebot zunächst, behält sich jedoch die gerichtliche Überprüfung im Rahmen einer Änderungsschutzklage vor, §  2 Satz 1 KSchG. Stellt das Arbeitsgericht fest, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt ist, bleiben die bisherigen Bedingungen bestehen.
Welche Optionen hat der Arbeitnehmer?

Welche Optionen hat der Arbeitnehmer?

Praxistipp: Die Annahme unter Vorbehalt muss in der Regel innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung beim Arbeitgeber erklärt werden, damit die gesetzliche Frist gewahrt bleibt.

 

Abfindungsmöglichkeiten bei betriebsbedingten Änderungskündigungen

Grundsätzlich ist bei einer Änderungskündigung keine automatische Abfindung vorgesehen. Jedoch bieten Arbeitgeber mitunter freiwillig eine Abfindung an, wenn:

  • sie eine einvernehmliche Lösung wünschen,
  • sie sich in einer schwachen Verhandlungsposition wähnen oder
  • ein Interessenausgleich bzw. Sozialplan (etwa nach §  112 BetrVG) getroffen wird.

Gerade in größeren Unternehmen mit Betriebsrat kann ein Sozialplan vereinbart werden, der finanziellen Ausgleich u.a. bei betriebsbedingten Änderungskündigungen vorsieht. Lesen Sie hier mehr zum Sozialplan!

In vielen Fällen ist es eine Frage der Verhandlung und abhängig von der jeweiligen betrieblichen Situation, ob und wie hoch eine Abfindung ausfällt.

 

Der Weg vor das Arbeitsgericht: Änderungsschutzklage

Entscheidet sich der Arbeitnehmer für die Annahme des Änderungsangebots unter Vorbehalt, kann er binnen drei Wochen eine Änderungsschutzklage erheben. Das Gericht prüft dann zweistufig:

  1. Liegt ein betriebsbedingter Kündigungsgrund vor (dringende betriebliche Erfordernisse)?
  2. Sind die vorgeschlagenen Bedingungen verhältnismäßig und sozial gerechtfertigt?

Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Kündigung unwirksam ist oder die Änderungen nicht gerechtfertigt sind, bleibt es bei den alten Vertragsbedingungen. Andernfalls gelten die neuen Bedingungen weiter.

Der Weg vor das Arbeitsgericht: Änderungsschutzklage

Der Weg vor das Arbeitsgericht: Änderungsschutzklage

 

Zusätzliche Information: Vermittelnder kann die Einschaltung des Betriebsrates sein. Hierzu hat der Arbeitnehmer nach § 3 KSchG die Möglichkeit, den Betriebsrat einzuschalten. Hierzu hat er ab Erhalt der Kündigung eine Woche lang Zeit.

 

Fazit

  • Gesetzliche Voraussetzungen: Eine betriebsbedingte Änderungskündigung ist nur zulässig, wenn dringende betriebliche Erfordernisse vorliegen und die Änderungen verhältnismäßig sind.
  • Sozialauswahl: Arbeitgeber müssen alle vergleichbaren Mitarbeiter erfassen und anhand gesetzlich vorgegebener Kriterien (Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten, Schwerbehinderung) auswählen.
  • Verhältnismäßigkeit: Prüfen Sie, ob eine mildere Lösung (z.  direkte Versetzung, einvernehmliche Vertragsänderung) ausreicht, bevor die Änderungskündigung erfolgt.
  • Vorbehaltsannahme und Änderungsschutzklage: Arbeitnehmer können das Angebot unter Vorbehalt annehmen und gerichtlich überprüfen lassen, ob die Änderung sozial gerechtfertigt ist. Beachten Sie die dreiwöchige Frist!
  • Abfindung: Kein gesetzlicher Anspruch, aber oft Verhandlungssache oder Ergebnis eines Sozialplans.
  • Konfliktvermeidung: Offene Kommunikation zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer kann helfen, konfliktarme und wirtschaftlich sinnvolle Lösungen zu finden.