Langjährige Mitarbeiter kündigen: Frist, Gründe und Abfindung
Langjährige Mitarbeiter zu kündigen, ist häufig besonders komplex und mit vielen rechtlichen Fallstricken verbunden. In diesem Artikel erfahren Sie, welche Kündigungsfristen gelten, worauf Sie bei betrieblichen oder krankheitsbedingten Kündigungen achten müssen, wann eine Abfindung fällig wird und warum ein Aufhebungsvertrag oft eine sinnvolle Alternative sein kann.
Wie lang ist die Kündigungsfrist langjähriger Mitarbeiter?
Langjährige Mitarbeiter haben in der Regel lange Kündigungsfristen.
Die gesetzlichen Kündigungsfristen für Arbeitsverhältnisse sind in § 622 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geregelt. Für den Arbeitgeber verlängert sich die Kündigungsfrist in Abhängigkeit von der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers wie folgt:
- 2 Jahre Betriebszugehörigkeit: 1 Monat zum Ende eines Kalendermonats
- 5 Jahre Betriebszugehörigkeit: 2 Monate zum Ende eines Kalendermonats
- 8 Jahre Betriebszugehörigkeit: 3 Monate zum Ende eines Kalendermonats
- 10 Jahre Betriebszugehörigkeit: 4 Monate zum Ende eines Kalendermonats
- 12 Jahre Betriebszugehörigkeit: 5 Monate zum Ende eines Kalendermonats
- 15 Jahre Betriebszugehörigkeit: 6 Monate zum Ende eines Kalendermonats
- 20 Jahre Betriebszugehörigkeit: 7 Monate zum Ende eines Kalendermonats
Wichtig: Der Arbeits- oder Tarifvertrag kann längere Kündigungsfristen vorsehen. Kürzere Fristen sind in der Regel nur per Tarifvertrag möglich.
Praxistipp:
Sie können sich mit dem Mitarbeiter auch auf eine kürzere Kündigungsfrist einigen. Der Mitarbeiter wird aber nur zustimmen, wenn Sie ihm eine Gegenleistung anbieten, z.B. eine Abfindung. Für eine solche Vereinbarung wird ein Abwicklungsvertrag abgeschlossen.
Kündigung langjähriger Mitarbeiter wegen Krankheit
Die Kündigung wegen Krankheit (personenbedingte Kündigung) ist nur unter strengen Voraussetzungen möglich. Das gilt erst recht für Mitarbeiter mit langer Betriebszugehörigkeit.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine krankheitsbedingte Kündigung nur unter diesen Voraussetzungen gerechtfertigt:
- Negative Gesundheitsprognose: Es ist damit zu rechnen, dass der Mitarbeiter langfristig (weiter) erkrankt sein wird bzw. häufig ausfallen wird.
- Betriebliche Beeinträchtigungen: Die Fehlzeiten führen zu erheblichen betrieblichen Störungen oder Kosten.
- Interessenabwägung: Eine umfassende Abwägung der Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer ergibt, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist. Hier sind langjährige Mitarbeiter besser geschützt, denn ihre lange Betriebszugehörigkeit fällt bei der Abwägung ins Gewicht.
Zudem muss der Arbeitgeber in vielen Fällen zuvor ein sogenanntes Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) gemäß § 167 Abs. 2 SGB IX anbieten.
Das BAG betont die Bedeutung des BEM. Unterlässt der Arbeitgeber das BEM, erschwert das die Wirksamkeit einer Kündigung (z.B. BAG, Urteil vom 20.11.2014 – 2 AZR 755/13).
Praxishinweis: Dokumentieren Sie alle Schritte, die Sie unternommen haben, um den Mitarbeiter bei seiner Wiedereingliederung zu unterstützen (z.B. Gespräche, Versetzungen, Teilzeitmodelle). Eine Kündigung ohne vorheriges BEM hat vor Gericht schlechtere Erfolgsaussichten, weil sich Ihre Darlegungs- und Beweislast vergrößert.
Betriebsbedingte Kündigung langjähriger Mitarbeiter
Sie können auch langjährigen Mitarbeitern aus betrieblichen Gründen kündigen. Allerdings müssen hohe Voraussetzungen erfüllt sein.
Betriebsbedingte Kündigungen stützen sich auf dringende betriebliche Erfordernisse, etwa bei:
- Auftragsrückgang oder Umsatzrückgang
- Umstrukturierungen
- Stilllegung von Betriebsteilen
Sie müssen darlegen und beweisen können, dass diese Umstände die Stelle des langjährigen Mitarbeiters dauerhaft entbehrlich machen. Viele Arbeitgeber unterschätzen dies. Planen Sie die Entlassung daher genau und lassen Sie sich beraten.
Für die Wirksamkeit müssen Sie eine Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) durchführen. Hier lauern viele Fehlerquellen, gerade gegenüber langjährigen Mitarbeitern. Kriterien der Sozialauswahl sind:
- Betriebszugehörigkeit
- Lebensalter
- Unterhaltspflichten (z.B. Kinder)
- Schwerbehinderung
Für die Sozialauswahl müssen Sie zunächst bestimmen, welche Mitarbeiter untereinander vergleichbar sind. Das hängt davon ab, ob sie ähnliche Aufgaben übernehmen (könnten). Anschließend ordnen Sie die Mitarbeiter nach den o.g. Kriterien in einem Punktesystem.
Das Gesetz bevorzugt dabei langjährige vor neuen Mitarbeitern. Allerdings sind Ausnahmen möglich, um z.B. junge Schlüsselmitarbeiter zu halten oder eine ausgewogene Altersstruktur zu wahren.
Abfindung für langjährige Mitarbeiter
Arbeitnehmer haben in aller Regel keinen Anspruch auf eine Abfindung. Das gilt auch für langjährig Beschäftigte.
Dennoch sind Abfindungen in der Praxis üblich, denn eine „friedliche“ Trennung kann für alle Beteiligten günstiger sein. Sie ersparen sich einen jahrelangen Prozess, können die Stelle verlässlich neu besetzen und entgehen dem Risiko einer gerichtlichen Niederlage. Letzteres ist gerade bei langjährigen Mitarbeitern nicht zu unterschätzen, weil Gerichte bei langer Betriebszugehörigkeit eine besonders gut begründete Kündigung verlangen.
Die Höhe der Abfindung wird frei vereinbart – sei es vor Gericht oder in einem Aufhebungsvertrag. Bei langjährigen Mitarbeitern orientiert man sich oft an dieser Faustformel:
Abfindung ≈ 0,5×Bruttomonatsgehälter × Anzahl der Beschäftigungsjahre
Sie sollten allerdings damit rechnen, dass der Anwalt des Arbeitnehmers einen deutlich höheren Betrag verlangt. Sie werden umso mehr entgegenkommen müssen, je eher das Arbeitsgericht Ihre Kündigung kassieren würde.
Gelegentlich hat der Arbeitnehmer auch einen Anspruch auf eine Abfindung, so etwa in einem Sozialplan. Auch dann sollten Sie sich aber auf Nachforderungen gefasst machen.
So kündigen Sie rechtssicher
Viele Kündigungen scheitern an formalen Voraussetzungen. Beachten Sie deshalb zumindest diese Voraussetzungen:
- Schriftform: Eine Kündigung muss zwingend schriftlich erfolgen (§ 623 BGB). Eine E-Mail oder ein Fax sind unwirksam. Die Kündigung muss außerdem vom Arbeitgeber eigenhändig unterschrieben sein.
- Vollmacht: Wenn nicht der Arbeitgeber oder Geschäftsführer selbst unterschreibt, sollten Sie mit der Kündigung eine Vollmacht im Original vorlegen.
- Zugangsnachweis: Stellen Sie sicher, dass der Mitarbeiter das Kündigungsschreiben nachweislich erhält (z.B. per Einwurf-Einschreiben mit Ein- und …).
- Betriebsrat: Gibt es einen Betriebsrat, muss dieser vor Ausspruch der Kündigung angehört werden (§ 102 BetrVG). Wir empfehlen eine schriftliche Anhörung. Nennen Sie alle Gründe, auf die Sie die Kündigung stützen. Wenn die Anhörung fehlerhaft ist, ist die Kündigung unwirksam.
- Frist: Geben Sie im Schreiben die korrekte Kündigungsfrist an. Denkbar ist z.B. eine Formulierung wie: „Wir kündigen zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Nach unserer Berechnung ist dies der [Datum].“
- Grund: Sie müssen den Grund für die Kündigung im Schreiben grundsätzlich noch nicht angeben. Wir raten zu einem kurzen Text, um die Argumentation nicht einzuengen.
Alternative: Der Aufhebungsvertrag
Wie gezeigt, bringt die Kündigung langjähriger Mitarbeiter einige Herausforderungen mit sich. Daher kann es sinnvoller sein, das Arbeitsverhältnis einvernehmlich durch einen Aufhebungsvertrag zu beenden. Die wichtigsten Vorteile sind:
- Planbarkeit: Auf die Inhalte eines Aufhebungsvertrags können Sie sich ab Unterzeichnung verlassen. Ein Widerruf o.ä. ist nur selten möglich.
- Vermeidung von Kündigungsschutzklagen: Es kommt nicht zu einem Streit vor Gericht, was Ihnen Geld und Nerven erspart.
- Individuelle Vereinbarungen: Etwa zur Abfindung, Kündigungsfrist, Freistellung, Resturlaub oder Wettbewerbsverbot.
Nachteilig kann für den Arbeitnehmer ein eventueller Sperrzeitbescheid der Bundesagentur für Arbeit sein (§ 159 SGB III). Hinzu kommt eine Abfindung, ohne die der Mitarbeiter dem Aufhebungsvertrag nicht zustimmen wird. Wie gezeigt, müssen Sie aber auch nach einer Kündigung mit einer Abfindung rechnen.
Kündigung langjähriger Mitarbeiter im Kleinbetrieb
Der Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) gilt nicht, wenn im Betrieb in der Regel 10 oder weniger Arbeitnehmer in Vollzeit beschäftigt sind (§ 23 KSchG). In diesem Fall können Sie in der Regel ohne Grund kündigen.
Dennoch gibt es gewisse Grenzen:
- Allgemeiner Gleichbehandlungsgrundsatz: Keine Diskriminierung wegen Geschlecht, Alter, Religion, Behinderung etc.
- Treu und Glauben (§ 242 BGB): Kündigungen dürfen nicht willkürlich oder schikanös sein.
- Besonderer Kündigungsschutz: Schwangere, Schwerbehinderte und Betriebsräte genießen besonderen gesetzlichen Kündigungsschutz, auch im Kleinbetrieb.
Praxishinweis: Auch im Kleinbetrieb empfiehlt sich eine sorgfältige Dokumentation: Gründe, Gespräche und Vermerke helfen, mögliche Auseinandersetzungen zu vermeiden oder zu entschärfen.
Fazit
- Für langjährige Mitarbeiter gelten lange Kündigungsfristen. Je länger die Betriebszugehörigkeit, desto länger die gesetzliche Kündigungsfrist (§ 622 BGB).
- Eine Kündigung wegen Krankheit setzt eine negative Gesundheitsprognose, erhebliche betriebliche Beeinträchtigungen und eine Interessenabwägung voraus. BEM-Verfahren durchführen!
- Eine betriebsbedingte Kündigung ist nur bei dringenden betrieblichen Erfordernissen und nach sorgfältiger Sozialauswahl zulässig.
- Die meisten Kündigungen enden mit einer Abfindung. Über die Höhe wird verhandelt (Faustformel: 0,5 Bruttomonatsgehälter × Beschäftigungsjahre).
- Der Aufhebungsvertrag ist oft die bessere Wahl. Er bietet Planbarkeit und Vermeidung von Gerichtsprozessen, aber Achtung vor Sperrzeitrisiken für den Arbeitnehmer.
- Im Kleinbetrieb gilt kein allgemeiner Kündigungsschutz nach KSchG, aber Achtung vor Diskriminierung und treuwidrigen Kündigungen.
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