Kündigung eines Prokuristen
Es kann vorkommen, dass die Zusammenarbeit zwischen Geschäftsführer und Prokurist mit der Zeit nicht mehr funktioniert. Worauf bei der Kündigung eines Prokuristen zu achten ist, wird im folgenden Beitrag erläutert.
Was ist ein Prokurist?
Der Prokurist ist ein Arbeitnehmer mit besonderer Stellung im Unternehmen. Er hat eine umfassende Vollmacht inne, die sogenannte Prokura. Mit dieser Vollmacht kann er nahezu wie ein Geschäftsführer auftreten und die Gesellschaft (z.B. GmbH oder OHG) vertreten. Der Prokurist wird außerdem ins Handelsregister eingetragen.
Ist ein Prokurist leitender Angestellter?
Das lässt sich pauschal nicht beantworten.
Zunächst: Wofür ist das wichtig? Leitende Angestellte können leichter entlassen werden. Der Arbeitgeber kann sich de facto jederzeit von ihnen trennen – muss ihnen ggf. aber eine Abfindung zahlen. Ist der Prokurist hingegen kein leitender Angestellter, genießt er uneingeschränkten Kündigungsschutz.
Es gibt zwei Definitionen für leitende Angestellte. Hier geht es in erster Linie um den leitenden Angestellten nach dem Kündigungsschutzgesetz. Die Definition nach dem Betriebsverfassungsgesetz wird nur am Rande relevant.
Nicht jeder Prokurist ist leitender Angestellter! Werden Sie also zum Prokuristen ernannt, verlieren Sie nicht gleich Ihren Kündigungsschutz. Es kommt darauf an, ob Ihre Tätigkeit dem eines Geschäftsleiters ähnelt. Folgende Faktoren spielen eine Rolle:
- Wichtigste Voraussetzung ist, dass Sie zur selbständigen Einstellung und Entlassung von Mitarbeitern befugt sind. Ist dies nicht der Fall, spricht vieles gegen die Einordnung als leitender Angestellter.
- Selbst wenn Sie Personalverantwortung in diesem Sinne tragen, sind Sie nicht automatisch leitender Angestellter. Es kommt auch darauf an, ob Sie der Vorgesetzte einer größeren Anzahl von Arbeitnehmern sind und ob Sie andere Führungsaufgaben wahrnehmen (z.B. strategische Entscheidungen).
- Keine leitende Angestellte sind sog. Titelprokuristen. Sie sind zwar als Prokuristen ernannt, dürfen laut Vertrag zum Arbeitgeber aber keine Geschäfte für die Gesellschaft vornehmen.
Welchen Kündigungsschutz hat ein Prokurist gewöhnlich?
Prokuristen genießen meist allgemeinen Kündigungsschutz wie gewöhnliche Arbeitnehmer. Dafür müssen aber folgende Voraussetzungen vorliegen:
- Sie haben mindestens sechs Monate unterbrechungsfrei im Unternehmen gearbeitet.
- Das Unternehmen beschäftigt mehr als zehn Arbeitnehmer (gültig für Arbeitsverträge ab dem 01.01.2004).
Nach § 1 KSchG sind dann nur diejenigen ordentlichen Kündigungen wirksam, die sozial gerechtfertigt sind. Die Rechtfertigung kann sich dabei aus
- verhaltensbedingten Gründen (z. B. Beleidigungen gegenüber Kollegen oder Kunden),
- personenbedingten Gründen (z. B. Krankheit des Arbeitnehmers) oder
- betriebsbedingten Gründen (z. B. Schließung von Abteilungen)
ergeben. Sie können also nicht wahllos entlassen werden. Der allgemeine Kündigungsschutz hat z.B. diese Konsequenzen:
- Werden Sie krank, dürfen Sie in aller Regel nur bei langem Ausfall (meist mind. sechs Wochen) oder sehr häufigen Kurzerkrankungen entlassen werden. Außerdem muss davon auszugehen sein, dass Sie auch in Zukunft ähnlich viel ausfallen.
- Soll Ihnen wegen eines Fehlverhaltens gekündigt werden, muss der Arbeitgeber Sie in aller Regel zuvor abmahnen.
- Eine betriebsbedingte Kündigung ist nur rechtmäßig, wenn Ihr Arbeitgeber Ihnen keine andere Stelle anbieten kann und Sie nach sozialen Kriterien (Alter, Unterhaltspflichten, Betriebszugehörigkeit und Schwerbehinderung) weniger schutzwürdig als andere Mitarbeiter erscheinen.
Außerdem muss der Betriebsrat vor Ihrer Kündigung angehört werden (sofern es einen gibt). Die Entlassung bleibt aber wirksam, selbst wenn der Betriebsrat ihr widerspricht. Sie haben dann aber höhere Chancen, bis zur gerichtlichen Klärung Ihrer Kündigung weiterbeschäftigt zu werden.
Achtung: Bei der Kündigung von Prokuristen kann es sein, dass die Anhörung des Betriebsrats nicht notwendig ist! Das hier relevante Betriebsverfassungsgesetz gilt nämlich nicht für Mitarbeiter, wenn deren Prokura „auch im Verhältnis zum Arbeitgeber nicht unbedeutend ist“. Es kommt also darauf an, ob Sie unternehmerische Entscheidungen treffen und dabei Entscheidungsspielraum haben. Davon ist schon eher auszugehen als nach den o.g. Kriterien (Abschnitt 2).
Welchen Kündigungsschutz hat ein Prokurist als leitender Angestellter?
Im Grunde gilt derselbe Kündigungsschutz wie für gewöhnliche Arbeitnehmer. Es gibt aber eine wichtige Einschränkung!
Der Arbeitgeber darf Sie auch entlassen, wenn das Arbeitsgericht festgestellt hat, dass Ihre Kündigung unwirksam ist. Allerdings muss er Ihnen dann eine Abfindung zahlen (§ 14 und § 9 KSchG). Die Höhe der Abfindung bestimmt das Gericht. Maßgeblich für die Entscheidung des Gerichts sind u.a. Ihr Alter, Ihre Beschäftigungsdauer und finanzielle Situation sowie Ihre Unterhaltspflichten.
Daraus ergeben sich folgende Höchstbeträge:
- Grundsätzlich: 12 Monatsverdienste
- Prokurist ist 50 oder älter, nicht über dem gesetzlichen Renteneintrittsalter + seit mind. 15 Jahren im Unternehmen: 15 Monatsverdienste
- Prokurist ist 55 oder älter, nicht über dem gesetzlichen Renteneintrittsalter + seit mind. 20 Jahren im Unternehmen: 18 Monatsverdienste
Aber auch die Gründe für die Entlassung spielen eine wichtige Rolle. Erscheint die Entlassung „an den Haaren herbeigezogen“, wird meist der Höchstbetrag festgesetzt.
Der maßgebende Monatsverdienst wird anhand des Gehalts (brutto und ohne Überstunden) plus Sachbezügen (wie z. B. der Anteil für einen Dienstwagen) berechnet, welcher Ihnen im letzten Arbeitsmonat zusteht.
Diese Regelung bedeutet also, dass der Arbeitgeber Sie jederzeit (grundlos) entlassen kann. Klagen Sie gegen die Kündigung, mag das Gericht zwar die Rechtswidrigkeit der Entlassung feststellen; der Arbeitgeber kann sich trotzdem gegen Zahlung einer Abfindung von Ihnen trennen.
Ein Zweites ist zu beachten: Die Erheblichkeitsschwelle, die verhaltensbedingte Gründe erreichen müssen, sinkt. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber Sie leichter wegen eines Fehlverhaltens entlassen kann.
Kleinere Verfehlungen des Prokuristen haben wegen seiner Funktion (wie z. B. die Vertretung des Arbeitgebers) deutlich stärkere Auswirkungen auf das gesamte Unternehmen als ähnlich leichte Verstöße von z. B. Lageristen. Benimmt sich also ein leitender Angestellter gegenüber einem Kunden unflätig, ist seine Entlassung eher rechtmäßig als die eines Lageristen wegen desselben Verhaltens. In aller Regel ist aber auch der Prokurist zuvor abzumahnen. Die Anzahl erforderlicher Abmahnungen dürfte meist aber geringer sein.
Aus den gleichen Gründen kann daher auch eine außerordentliche bzw. fristlose Kündigung eines Prokuristen eher gerechtfertigt sein als bei Angestellten ohne leitende Funktion.
Welche Kündigungsfrist gilt für einen Prokuristen?
a) Kündigung des Arbeitgebers
Da der Prokurist Arbeitnehmer ist, richten sich die Kündigungsfristen nach den allgemeinen Grundsätzen.
Das heißt: Möchte der Arbeitgeber Ihnen ordentlich kündigen, so muss er die Fristen des § 622 Absätze 1 bis 3 BGB beachten. Diese richten sich nach Ihrer Beschäftigungsdauer im Unternehmen.
BETRIEBSZUGEHÖRIGKEIT
|
KÜNDIGUNGSFRIST |
Unter 2 Jahre | 4 Wochen zum 15. oder Monatsende |
Min. 2 Jahre | 1 Monat zum Monatsende |
Min. 5 Jahre | 2 Monate zum Monatsende |
Min. 8 Jahre | 3 Monate zum Monatsende |
Min. 10 Jahre | 4 Monate zum Monatsende |
Min. 12 Jahre | 5 Monate zum Monatsende |
Min. 15 Jahre | 6 Monate zum Monatsende |
Min. 20 Jahre | 7 Monate zum Monatsende |
Beispiel:
Arbeitgeber A möchte den Prokuristen P entlassen. P arbeitet ohne Unterbrechung seit fünf Jahren im Unternehmen. A muss daher eine Frist von zwei Monaten zum Ende eines Kalendermonats beachten. Möchte A den P also nach dem 30.11.2020 nicht mehr im Unternehmen beschäftigen, muss seine Kündigung dem P spätestens am 30.09.2020 zugehen.
Der Arbeits- oder ein Tarifvertrag kann abweichende Regelungen vorsehen. Auch hier gelten aber rechtliche Grenzen.
b) Kündigung des Prokuristen
Möchte der Prokurist selbst kündigen, so gilt die Frist des § 622 Abs. 1 BGB. Diese beträgt vier Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats. Es kann jedoch im Arbeitsvertrag etwas anderes vereinbart werden. Die Grenze liegt dabei in den Fristen, die der Arbeitgeber beachten muss. Dem Prokuristen dürfen also keine längeren Fristen auferlegt werden als die, die für den Arbeitgeber gelten.
Beispiel:
Prokurist P entscheidet am 01.09.2020, dass er nicht mehr bei A arbeiten möchte und schnellstmöglich den Arbeitsvertrag beenden möchte. Bis zum 15.09. verbleiben nur noch zwei Wochen, sodass er nicht zum 15. des Kalendermonats kündigen kann. Er kann aber zum 30.09.2020 kündigen, wenn die Kündigung noch am 02.09. bei A eingeht.
Erhält ein Prokurist eine Abfindung?
Da der Prokurist selten ohne finanziellen Ausgleich das Unternehmen verlassen wollen wird, stellt sich die Frage, ob er eine Abfindung erhält.
Der erste Ansatz kann natürlich eine Einigung hierüber sein. Dies gilt unabhängig von Grund und Wirksamkeit der Kündigung. Der Arbeitgeber kann in einem Abwicklungs- der Aufhebungsvertrag eine Abfindung zusprechen. Daneben kommt es häufig vor Gericht zur Einigung auf eine Abfindung. Im Gegenzug lässt der Prokurist seine Klage fallen und akzeptiert die Kündigung. Man spricht von einem gerichtlichen Vergleich.
Im Falle einer betriebsbedingten Kündigung ist eine Abfindung besonders häufig. In vielen Fällen einigen sich Betriebsrat und Arbeitgeber per Sozialplan auf eine Abfindung (gelegentlich lohnt es sich dennoch, einen höheren Betrag individuell auszuhandeln!). Außerdem kann der Arbeitgeber gem. § 1a KSchG bereits im Kündigungsschreiben freiwillig eine bestimmte Abfindung anbieten. Klagt der Prokurist nicht spätestens drei Wochen nach Erhalt der Kündigung, steht ihm die angebotene Abfindung zu.
Die Höhe der Abfindung ist dann gesetzlich festgelegt. Sie beträgt einen ½ Bruttomonatsverdienst pro Jahr, in dem der Prokurist bei dem Arbeitgeber beschäftigt war. Dabei sind Zeiträume von über sechs Monaten auf ein volles Jahr aufzurunden. Der maßgebliche Bruttomonatsverdienst ist derselbe wie beim Verfahren nach § 14 KSchG.
Ein Rechenbeispiel: Prokurist P ist seit dem 01.02.2015 bei Firma B&K beschäftigt. Er erhält im Juli 2020 eine Kündigung zum 30.09.2020. Sein letzter Arbeitsmonat ist also der September. In diesem Monat verdient er ohne Überstunden 9.000 € brutto und darf den Dienstwagen nutzen, der ihm mit 1000 € pro Monat angerechnet wird. Sein Arbeitsverhältnis mit B&K besteht im September 2020 aufgerundet sechs Jahre. Ihm steht als Abfindung also ein Betrag von 30.000 € (½ x 10.0000 € x 6) zu.
Auch bei Abfindungen aus anderen Gründen als § 1a KSchG (s.o.) orientiert man sich an dieser Formel. Der Betrag kann aber deutlich höher oder geringer ausfallen. Es kommt entscheidend darauf an, welche Chancen der Prokurist vor Gericht hätte, seine Kündigung erfolgreich anzugreifen.
Wichtig für Prokuristen, die leitende Angestellte sind: Ihnen wird der Arbeitgeber wohl kaum einen höheren Betrag zusprechen als die Höchstbeträge aus Abschnitt 4.
Darf ein Prokurist kündigen?
a) Prokurist kündigt seinen Vertrag
Obgleich der Prokurist eine besondere Stellung im Unternehmen hat und entsprechend wichtige Aufgaben übernimmt, darf er seinen Arbeitsvertrag gegenüber dem Arbeitgeber kündigen. Er muss nicht den Abschluss des Projektes X oder den Segen des Arbeitgebers abwarten. Relevant sind einzig die gesetzlichen Fristen. Möchte der Arbeitgeber mehr Planungssicherheit, so kann er mit ihm längere Fristen vereinbaren.
Mit einer Abfindung bei Eigenkündigung ist eher selten zu rechnen.
b) Prokurist kündigt anderen Arbeitnehmern
Ob ein Prokurist anderen Arbeitnehmern kündigen darf, hängt von seinen Befugnissen ab. Zu unterscheiden ist also das Dürfen und Können.
- Dürfen: Es kommt wie bei anderen Mitarbeitern darauf an, ob der Arbeitgeber ihn zur Entlassung ermächtigt hat. Kündigt der Prokurist, obwohl er dazu nicht berechtigt ist, kann er abgemahnt oder gar gekündigt werden.
- Können: Die vom Prokuristen ausgesprochene Kündigung ist zunächst aber wirksam – schließlich ist er Prokurist und kann im Außenverhältnis wirksame Erklärungen abgeben. Einschränken kann der Arbeitgeber dies allerdings dadurch, dass er dem Prokuristen keine Einzelprokura erteilt, sondern „nur“ eine Gesamtprokura. Diese macht die Wirksamkeit der Handlungen von mindestens einer weiteren Person bzw. ihrer Zustimmung abhängig.
Kündigung als Prokurist erhalten – was tun?
Handeln Sie schnell: Um die Unwirksamkeit der Kündigung geltend zu machen, müssen Sie spätestens drei Wochen nach Zugang der Kündigung beim Arbeitsgericht Klage erheben. Andernfalls ist Ihr Arbeitsplatz endgültig verloren und auch eine Abfindung ist meist aussichtslos.
Sie sollten daher frühzeitig Kontakt mit Herrn Dr. Drees aufnehmen.
Es ist außerdem sinnvoll, dass Sie sich sofort bei der Arbeitsagentur für Arbeit arbeitssuchend melden. Andernfalls drohen Sperrzeiten beim Arbeitslosengeld I.
Wichtig: Wurde die Prokura ordnungsgemäß im Handelsregister eingetragen, sollte diese nach Ihrem Ausscheiden auch wieder gelöscht werden. Geschieht dies nicht, kann zum Nachteil des Unternehmens noch eine sogenannte Rechtsscheinvollmacht bestehen (§ 15 HGB). Der Prokurist kann also weiterhin Geschäfte im Namen des Unternehmens abschließen.
Fazit
- Ein Prokurist ist ein Vertreter eines Unternehmens mit umfassender Vollmacht.
- Der Prokurist genießt den gleichen Kündigungsschutz wie gewöhnliche Arbeitnehmer. Ist er aber leitender Angestellter, kann er gegen Zahlung einer Abfindung jederzeit wirksam entlassen werden.
- Der Arbeitgeber muss bei der Kündigung des Prokuristen beachten, wie lange dieser schon im Unternehmen beschäftigt ist. Danach richtet sich die Kündigungsfrist. Kündigt der Prokurist selbst, hat er eine Kündigungsfrist von vier Wochen, wenn nichts anderes vereinbart worden ist.
- Der Prokurist erhält in den meisten Fällen eine Abfindung. Die Höhe ist meist Verhandlungssache.
- Ein Prokurist darf selbst kündigen. Er ist an die geltenden Fristen gebunden.