Gründe für betriebsbedingte Kündigung

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9 Gründe für eine betriebsbedingte Kündigung

Ihr Arbeitgeber muss meist einen Kündigungsgrund haben, um Sie entlassen zu können. Zulässig ist insbesondere die betriebsbedingte Kündigung. Dabei beruft sich der Arbeitgeber auf wirtschaftliche Gründe im Betrieb, die die weitere Beschäftigung ausschließen. Das Gesetz lässt aber nur bestimmte Gründe für eine betriebsbedingte Kündigung zu. Wir erklären die 9 wichtigsten Fälle.

1. Kündigung wegen Auftragsmangel und Umsatzrückgang

Grundsätzlich kann sich Ihr Arbeitgeber zur Begründung einer Kündigung auf einen Auftragsmangel oder Umsatzrückgang berufen. Dabei kann er auf zwei verschiedene Arten argumentieren:

  • Wegen der Auftrags- oder Umsatzlage wird der Betrieb umstrukturiert oder (teilweise) geschlossen. Über diese Fälle erfahren Sie mehr unter den Punkten 3 und 4.
  • Der Arbeitgeber „verknüpft“ die Auftrags- oder Umsatzlage direkt mit der Anzahl der im Betrieb gebrauchten Arbeitskräfte. Er beruft sich also bei der Kündigung nicht auf eine zwischengeschaltete Unternehmerentscheidung.

Letzterer Fall ist für den Arbeitgeber nicht ohne Tücken. Er muss genau und nachvollziehbar erklären, dass sich der Umsatz- oder Auftragsrückgang dauerhaft auf den Beschäftigungsbedarf auswirkt. Weil die Gerichte an diesen Vortrag hohe Anforderung stellen, ergeben sich für Sie als Arbeitnehmer gute Chancen, die Kündigung vor Gericht erfolgreich zu beseitigen. Eine Kündigung kann hier insbesondere in folgenden Fällen unwirksam sein:

  • Der Arbeitgeber beruft sich nur pauschal auf „rückläufige wirtschaftliche Daten“ und erklärt nicht, wie sich diese konkret auf den Arbeitsbedarf im Betrieb auswirken.
  • Der Arbeitgeber kann nur einen vorübergehenden Auftragsmangel darlegen.

Hier erhalten Sie mehr Informationen zur Kündigung wegen Arbeitsmangels.

2. Geändertes Anforderungsprofil der Stelle

Je nach Stelle erwartet der Arbeitgeber bestimmte Fähigkeiten und Qualifikationen vom Arbeitnehmer. Diese Anforderungen können sich auch nach der Einstellung noch verändern, zum Beispiel wenn ein neues IT-System eingeführt wird.

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Der Arbeitgeber kann auf solche Veränderungen reagieren und das Anforderungsprofil einer Stelle verändern. Dabei handelt es sich um eine sogenannte unternehmerische Entscheidung. Die Gerichte betonen immer wieder, dass die Freiheit solcher Entscheidungen vom Grundgesetz garantiert wird und sie deshalb nur auf Willkür und offensichtliche Unrichtigkeit zu überprüfen sind. Die neuen Anforderungen müssen jedoch ein nachvollziehbares, arbeitsplatzbezogenes Kriterium für die Stellenprofilierung sein. Es reicht also nicht aus, dass der Arbeitgeber bestimmte neue Qualifikationen nur für wünschenswert hält.

Eine Kündigung des Arbeitgebers wegen dieses veränderten Anforderungsprofils darf außerdem immer nur die letzte Maßnahme sein. Vorher muss der Arbeitgeber versuchen, den Arbeitnehmer durch zumutbare Schulungen oder Fortbildungen auf die Veränderung vorzubereiten.

Hierzu folgendes Beispiel aus der Rechtsprechung (angelehnt an LAG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 14. März 2019, 2 Sa 289/18):

Geklagt hatte der Marktleiter eines Lebensmittelmarktes. Sein Arbeitgeber hatte ihm gekündigt, weil der Lebensmittelmarkt zukunftsfähig gemacht werden sollte. Die Erneuerung der Strategie für den Markt umfasste insbesondere eine neue Online-Offensive. Diesen Veränderungen sei der Marktleiter nicht gewachsen; er benutze seine Dienst-PC und seinen E-Mail Account kaum und sei insgesamt nicht technikaffin. Das Gericht sah darin keinen zulässigen Kündigungsgrund. Der Arbeitgeber habe erstens nicht dargelegt, warum IT-Kenntnisse nicht nur wünschenswert, sondern erforderlich seien. Zweitens habe er nicht erklärt, warum der Arbeitnehmer diesbezüglich nicht geschult werden könne.

3. Kündigung wegen Umstrukturierung

Auch eine Um- oder Restrukturierung des Betriebs gehört zur unternehmerischen Freiheit des Arbeitgebers. Er kann sich zum Beispiel entscheiden, Handarbeit durch Maschinenfertigung zu ersetzen, oder bestimmte Abläufe zu verschlanken. Hier prüfen die Gerichte nur auf Willkür oder offensichtliche Unrichtigkeit dieser Entscheidung.
Für die Wirksamkeit der Kündigung ist es deshalb nicht von Bedeutung, ob die Entscheidung des Arbeitgebers wirtschaftlich Sinn ergibt. Der Arbeitgeber muss aber darlegen, dass durch die Umstrukturierung der Bedarf für Arbeitskraft in seinem Betrieb dauerhaft wegfällt. Er muss im Detail zeigen, wie die Aufgaben der entlassenen Arbeitnehmer umverteilt werden, ohne dass die verbleibenden Mitarbeiter überlastet werden.

Hierzu folgendes Beispiel:
Der Arbeitgeber entscheidet sich, eine Hierarchieebene in seinem Unternehmen zu streichen. Die Aufgaben der entlassenen Arbeitnehmer sollen auf die verbleibenden Mitarbeiter umverteilt werden. Ein Arbeitnehmer wehrt sich gegen die Kündigung und zieht vor Gericht. Im Prozess verweist der Arbeitgeber lediglich auf ein Organigramm, dass die neue Hierarchiestruktur seines Unternehmens erklärt. Das Gericht erklärt die Kündigung für unwirksam; der Arbeitgeber habe nicht hinreichend dargelegt, wie die neue Aufgabenverteilung im Betrieb aussehen soll.

4. Betriebsstilllegung als Grund für betriebsbedingte Kündigung

Eine weitere Unternehmerentscheidung ist die Stilllegung des Betriebs. Wenn sich der Arbeitgeber entscheidet, einen Betrieb dauerhaft einzustellen, kann er den dort beschäftigten Arbeitnehmern betriebsbedingt kündigen. Ob die Schließung sinnvoll oder notwendig ist, prüfen die Gerichte nicht. Besteht im Betrieb ein Betriebsrat, sind seine Mitbestimmungsrechte zu beachten.

Es gibt aber mehrere Konstellationen, in denen Sie die Kündigung wirksam vor Gericht angreifen können:

  • Die Schließung des Betriebs ist noch nicht fest beschlossen: Wenn der Arbeitgeber nur überlegt, den Betrieb zu schließen, liegt kein Kündigungsgrund vor. Er muss sich fest dazu entschlossen haben.
  • Der Betrieb soll nur zeitweise geschlossen werden: Auch diese Situation rechtfertigt keine Kündigung. Der Arbeitgeber muss eine dauerhafte Schließung planen.
  • Der Betrieb soll verkauft werden: Eine Veräußerung gilt nicht als Stilllegung. Eine Kündigung aus diesem Grund ist unzulässig (Dazu mehr unter 5.).
  • Der Betrieb wird in mehreren Etappen geschlossen: Wenn der Arbeitgeber nicht alle Arbeitnehmer gleichzeitig entlässt, muss er bei den einzelnen Etappen eine sogenannte Sozialauswahl durchführen. Wenn diese Auswahl fehlerhaft ist, ist die Kündigung unwirksam.

Ausführliche Informationen zur Kündigung wegen Betriebsschließung erfahren Sie hier.

5. Kündigung bei Betriebsübergang und Inhaberwechsel

Wie eben erklärt, ist die Veräußerung bzw. der Inhaberwechsel eines Betriebs an sich kein Kündigungsgrund. Es ist vielmehr nach § 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB verboten, wegen eines Betriebsübergangs zu kündigen.
Es ist dem Arbeitgeber aber erlaubt, im Vorfeld eines Verkaufs Rationalisierungsmaßnahmen durchzuführen, zum Beispiel, um seinen Betrieb am Markt attraktiver zu machen. Dafür muss der Arbeitgeber jedoch ein schlüssiges Konzept verfolgen. Es ist kein ausreichender Kündigungsgrund, wenn dem Erwerber die Lohnkosten für die „alten“ Arbeitnehmer zu teuer sind.

9 Gründe für eine betriebsbedingte Kündigung

Das Gesetz lässt nur bestimmte Gründe für eine betriebsbedingte Kündigung zu.

Die Abgrenzung zwischen einer Kündigung „wegen Betriebsübergangs“ und einer Kündigung „im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang“ ist schwierig und wird vielen Arbeitgebern zum Verhängnis. Wenn Ihnen im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit einem Inhaberwechsel gekündigt wird, lohnt es sich also, die Kündigung durch das Arbeitsgericht überprüfen zu lassen.

6. Druckkündigung

Von einer Druckkündigung spricht man, wenn Dritte vom Arbeitgeber unter Androhung von Nachteilen die Entlassung eines Arbeitnehmers verlangen und der Arbeitgeber deshalb kündigt. Denkbar ist zum Beispiel die Drohung eines Lieferanten, nicht weiter mit dem Arbeitgeber zusammenzuarbeiten, oder die Drohung von anderen Arbeitnehmern, geschlossen zu kündigen.

Es kann sein, dass der betroffene Arbeitnehmer tatsächlich etwas „falsch gemacht“ hat. Denkbar ist beispielsweise, dass seine Kollegen die Entlassung verlangen, weil der Arbeitnehmer sexuelle Übergriffe begangen hat. Dann steht es dem Arbeitgeber frei, aus diesem Grund zu kündigen (sog. „unechte Druckkündigung“).

Möglich ist aber auch, dass gar kein Kündigungsgrund im Verhalten oder der Person des betroffenen Arbeitnehmers besteht. Dann kommt nur in Ausnahmefällen eine betriebsbedingte Kündigung in Betracht (sog. „echte Druckkündigung“). Daran sind allerdings hohe Anforderungen zu stellen. Der Arbeitgeber muss sich zunächst einmal schützend vor den Arbeitnehmer stellen, der ja schließlich nichts falsch gemacht hat. Nur wenn die angedrohten Maßnahmen nicht anders abgewendet werden können und große wirtschaftliche Schäden drohen, kann der Arbeitgeber betriebsbedingt kündigen.

Herzu folgendes Beispiel:
Arbeitnehmer A ist politisch aktiv und hat sich bei einem großen Teil der Bevölkerung durch seine extremen Positionen unbeliebt gemacht. Auf öffentlichen Druck erklären die Geschäftspartner von As Arbeitgeber, sie werden die Geschäftsbeziehungen abbrechen, falls A nicht entlassen wird. Sollten die Geschäftspartner ernst machen, wäre As Arbeitgeber wirtschaftlich ruiniert. Alle Beschwichtigungsversuche des Arbeitgebers können nichts bewirken. Hier kann der Arbeitgeber A betriebsbedingt kündigen, um seinen Betrieb zu retten.

7. Auslagerung von Arbeiten an Fremdfirmen

Die Auslagerung von Arbeiten an Fremdfirmen (Outsourcing) ist eine unternehmerische Entscheidung, genau wie die (Teil-)Schließung oder Umstrukturierung eines Betriebs. Wie oben erklärt, wird die Entscheidung zum Outsourcing selbst nicht überprüft. Der Arbeitgeber muss aber darlegen, dass dadurch dauerhaft der Beschäftigungsbedarf im eigenen Betrieb wegfällt.

8. Kündigung wegen Insolvenz

Die Insolvenzeröffnung an sich ist kein Grund für eine betriebsbedingte Kündigung. Mit Beginn des Insolvenzverfahrens geht die Entscheidungsgewalt vielmehr auf den Insolvenzverwalter über. Dieser entscheidet dann, ob und wie im Betrieb Rationalisierungsmaßnahmen durchgeführt werden, oder ob der Betrieb (teilweise) geschlossen werden soll.

Viele Arbeitnehmer meinen, dass mit der Insolvenz ihres Arbeitgebers das Ende ihrer Beschäftigung bereits besiegelt sei. Das stimmt nicht! Nicht selten kann der Betrieb gerettet und die Mitarbeiter weiterbeschäftigt werden.

Für die Kündigungen durch den Insolvenzverwalter gelten im Grunde dieselben Regeln wie für einen „normalen“ Arbeitgeber. Die Insolvenzordnung (InsO) legt jedoch bestimmte Spezialregeln fest:

  • Der Insolvenzverwalter kann beispielsweise auch trotz eines Kündigungsverbots im Arbeitsvertrag mit einer Frist von 3 Monaten zum Monatsende betriebsbedingt kündigen (§ 113 InsO).
  • Wenn der Insolvenzverwalter und Betriebsrat einen Interessenausgleich vereinbart haben, werden außerdem betriebliche Erfordernisse für die Kündigung vermutet (§ 125 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Das bedeutet, im Prozess muss der Arbeitnehmer beweisen, dass keine solchen Erfordernisse vorliegen.

9. Gründe für betriebsbedingte Kündigung im öffentlichen Dienst

Grundsätzlich gelten im öffentlichen Dienst die gleichen Grundsätze zur betriebsbedingten Kündigung wie in privaten Betrieben. Der öffentliche Arbeitgeber kann zum Beispiel genauso wie ein privater entscheiden, dass zur Rationalisierung bestimmte Stellen gestrichen werden sollen. Oftmals ist eine solche Entscheidung in Haushaltsplänen vorgesehen.

Aber auch externe Umstände können den Wegfall einer Stelle im öffentlichen Dienst bedingen. Zum Beispiel, wenn die Aufgabenverteilung zwischen einzelnen Behörden neu organisiert wird. Solche allgemeinen Umstände müssen dann allerdings vom Arbeitgeber konkret durch eine Anpassung der Personalstruktur umgesetzt werden. Hier ergeben sich wiederum Chancen für die Beseitigung der Kündigung.

10. Zu guter Letzt: Arbeitsplatz retten oder Abfindung?

Wie gezeigt, sind betriebsbedingte Kündigungen an enge Voraussetzungen geknüpft. Entsprechend gute Chancen haben Arbeitnehmer, ihre Entlassung anzugreifen.
Dazu müssen sie innerhalb der ersten drei Wochen nach Zugang der Kündigung klagen. Sonst wird sie automatisch wirksam.
Vor Gericht stellt sich dann die Gretchenfrage: Möchte der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz zurück oder geht es ihm um eine möglichst hohe Abfindung? Beide Ziele lassen sich umso besser erreichen, je eher das Gericht die Kündigung für unwirksam hält. Zu einer Abfindung sind Arbeitgeber vor Gericht fast immer bereit.