Kündigung im Insolvenzverfahren – das müssen Arbeitnehmer wissen
Krisenzeiten wie diese stellen die deutsche Wirtschaft vor große Herausforderungen. Arbeitgeber müssen vermehrt Insolvenz anmelden. Das hat auch zahlreiche Kündigungen von Arbeitgebern zur Folge.
Hier erfahren Sie, was Sie als betroffener Arbeitnehmer wissen müssen, wenn Sie in der Insolvenz des Arbeitgebers gekündigt werden.
Darf der Insolvenzverwalter kündigen?
Ist Ihr Arbeitgeber insolvent, wird meist mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Insolvenzverwalter bestellt (anders im Rahmen der Eigenverwaltung). Dieser leitet dann vorübergehend das Unternehmen Ihres Arbeitgebers. Er ist somit auch für Kündigungen zuständig.
Kündigungsschutz im Insolvenzverfahren
Der Insolvenzverwalter wird versuchen, möglichst viel Geld aus dem Unternehmen herauszuholen, um damit dessen Schulden zu bezahlen. Oft wird das Unternehmen entweder verkauft oder (teilweise) eingestellt. In vielen Fällen geht das mit Kündigungen einher.
Aber Achtung: § 108 Insolvenzordnung (InsO) bestimmt, dass eine Insolvenz das Arbeitsverhältnis nicht automatisch beendet. Sie stellt auch keinen eigenen Kündigungsgrund dar. Stattdessen gilt weiterhin der gesetzliche Kündigungsschutz für Arbeitnehmer nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG).
Sie können deshalb per Klage gegen Ihre Kündigung vorgehen und diese vom Gericht prüfen lassen. Dafür bleiben Ihnen ab Zugang der Kündigung allerdings nur drei Wochen Zeit.
Wichtig: Wenn in Ihrem Betrieb zehn oder weniger Mitarbeiter beschäftigt werden oder Sie erst weniger als 6 Monate dort gearbeitet haben, genießen Sie keinen allgemeinen Kündigungsschutz. Entlassungen fallen dem Insolvenzverwalter dann leichter.
Der Insolvenzverwalter darf also nicht wegen der Insolvenz selbst kündigen. Wie auch außerhalb der Insolvenz kann er Arbeitnehmer aber wegen eines personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Kündigungsgrundes entlassen.
Betriebsbedingte Kündigung bei Insolvenz
Im Insolvenzverfahren werden häufig betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen. Meist muss nämlich das Unternehmen umstrukturiert und unprofitable Betriebszweige eingestellt werden. Wenn dadurch Arbeitsplätze dauerhaft wegfallen, kann der Insolvenzverwalter betriebsbedingt kündigen.
Wichtigste Voraussetzung ist, dass sog. dringende betriebliche Erfordernisse die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unmöglich machen. Bei einer Insolvenz liegen solche dringenden betrieblichen Erfordernisse wegen einer Betriebsschließung häufig vor. Es kommen sowohl außerbetriebliche Umstände, wie ein Auftragsmangel oder Umsatzrückgang, als auch innerbetriebliche Umstände, wie Rationalisierungsmaßnahmen und interne Umstellungen, in Betracht.
Aber Vorsicht: Auch Kündigungen im Insolvenzverfahren sind immer wieder angreifbar. Viele solcher Entlassungen sollen nämlich den Verkauf einzelner Unternehmensteile vorbereiten. Der Erwerber macht gelegentlich zur Bedingung, dass noch der Insolvenzverwalter die Belegschaft reduziert. Solche „Entlassungen nach Erwerberkonzept“ sind unter Umständen rechtswidrig, weil Kündigungen allein wegen eines Betriebsübergangs verboten sind (§ 613a Abs. 4 BGB). Außerdem bieten sich oft Möglichkeiten, den Mitarbeiter auf einer vergleichbaren Stelle in anderen Teilen des Unternehmens zu beschäftigen.
Selbst wenn der Insolvenzverwalter betriebsbedingt kündigen darf, muss er eine fehlerfreie Sozialauswahl treffen. Er hat demnach vorrangig die am wenigsten schutzwürdigen Arbeitnehmer zu entlassen. Beachtet er dies nicht, können Sie die Kündigung vor Gericht angreifen. Besonders schutzwürdig sind Sie bei:
- Langer Betriebszugehörigkeit
- Schwerbehinderung
- Umfangreichen Unterhaltspflichten
- Hohem Alter (rentennahen Jahrgängen hilft ihr erhöhtes Alter in der Sozialauswahl hingegen nicht mehr, weil sie ohnehin bald Rente beziehen können)
Achtung: Sie haben Zweifel daran, dass Ihre Kündigung rechtmäßig ist? Dann müssen Sie zügig handeln! Sie haben nur 3 Wochen Zeit, um Klage zu erheben. Lassen Sie sich frühzeitig von einem erfahrenen Fachanwalt für Arbeitsrecht beraten.
Sonderkündigungsschutz in der Insolvenz
Einige Arbeitnehmer sind per Gesetz ordentlich „unkündbar“. Dies gilt zum Beispiel für Betriebsratsmitglieder oder Auszubildende. Dieser Sonderkündigungsschutz gilt in der Insolvenz fort. Die Insolvenz selbst ist kein außerordentlicher Kündigungsgrund.
Allerdings sind gerade im Insolvenzverfahren Situationen denkbar, in denen das Unternehmen ausnahmsweise außerordentlich betriebsbedingt kündigen darf. Dem Arbeitgeber soll die Weiterbeschäftigung bis ins Rentenalter nicht zugemutet werden, wenn er selbst beim besten Willen die Arbeitskraft nicht mehr einsetzen kann. Klassisches Beispiel ist die endgültige Einstellung des gesamten Unternehmens. Der Insolvenzverwalter darf dann auch „unkündbaren“ Mitarbeitern kündigen. Zunächst läuft dann eine sog. soziale Auslauffrist ab, die meist der Frist der ordentlichen Kündigung entspricht.
Betroffene Arbeitnehmer sollten solche Kündigungen überprüfen lassen. Oft entlassen Insolvenzverwalter vorschnell Arbeitnehmer mit Sonderkündigungsschutz. Außerdem könnte das Unternehmen den betroffenen Mitarbeiter oft auf einer vergleichbaren Stelle einsetzen, die zu einem verkauften Unternehmensteil gehört. Auch dies macht die Kündigung angreifbar.
Kündigungsschutz wegen Tarifvertrag oder Befristung
Einige Tarifverträge sehen vor, dass lang beschäftigte Mitarbeiter ab einem bestimmten Alter nicht mehr betriebsbedingt entlassen werden können. Der Insolvenzverwalter ist daran gem. § 113 InsO nicht gebunden. Ebenso darf er befristete Verträge kündigen, wenn ein hinreichender Kündigungsgrund vorliegt.
Beteiligung des Betriebsrats und Interessenausgleich
Auch in der Insolvenz muss vor jeder Kündigung der Betriebsrat angehört werden. Sonst ist die Kündigung vor Gericht angreifbar.
Häufig handelt der Insolvenzverwalter mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste aus. Dieser regelt das Ob, Wie und Wann der Betriebsänderungen und bezeichnet die zu kündigenden Mitarbeiter namentlich. Das erleichtert die Kündigungen erheblich, denn:
- Wenn der Mitarbeiter auf der Namensliste geführt wird, vermutet das Gericht, dass ein betriebsbedingter Kündigungsgrund vorliegt. Sie müssten dann das Gegenteil beweisen, also dass der Insolvenzverwalter keinen Grund zur Kündigung hatte.
- Außerdem überprüft das Gericht die Sozialauswahl nur noch auf grobe Fehler.
In aller Regel macht der Betriebsrat seine Zustimmung davon abhängig, dass die betroffenen Arbeitnehmer per Sozialplan eine Abfindung trotz Insolvenzverfahren erhalten.
Diese Dauer hat die Kündigungsfrist in der Insolvenz
Kündigungsfristen werden meist individuell im Arbeits- oder Tarifvertrag geregelt. Wenn dort nichts vereinbart wurde, gelten die gesetzlichen Kündigungsfristen aus § 622 BGB. Diese richten sich nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers.
Kürzere Kündigungsfrist bei Insolvenz
Auch der Insolvenzverwalter muss grundsätzlich die gewöhnliche Kündigungsfrist anwenden. Allerdings ist diese gem. § 113 InsO auf maximal drei Monate beschränkt. Insbesondere für ältere Arbeitnehmer bedeutet das eine Verkürzung ihrer Kündigungsfrist.
Achtung: Wenn Ihre reguläre Kündigungsfrist kürzer als drei Monate ist, gilt diese unverändert!
Nachkündigung im Insolvenzverfahren
Wenn Sie vor der Insolvenz mit einer längeren Kündigungsfrist gekündigt wurden, können Sie sich nicht darauf verlassen. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann der Insolvenzverwalter eine „Nachkündigung“ aussprechen. Dann wird Ihr Arbeitsverhältnis nach drei Monaten beendet.
Beispiel:
Ihr Arbeitgeber kündigt am 15.03. das Arbeitsverhältnis mit einer 6-monatigen Kündigungsfrist zum 30.09. Einen Monat später wird dann das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter spricht am 16.04. eine Nachkündigung aus. Dabei kann er sich auf die dreimonatige Kündigungsfrist bei Insolvenz berufen. Ihr Arbeitsverhältnis endet dann bereits am 31.07.
Schadensersatz
Wenn Ihnen wegen § 113 InsO frühzeitig gekündigt wird, können Sie von Ihrem Arbeitgeber Schadensersatz fordern. Er muss Ihnen den entstandenen Verdienstausfall ersetzen. Auch der Verlust von Pensionsberechtigungen und Sozialleistungen kann geltend gemacht werden.
Aber Achtung: Ihr Schadensersatzanspruch gilt lediglich als einfache Insolvenzforderung. Er muss wie alle anderen Gläubigerforderungen beim Insolvenzverwalter angemeldet werden. Bei Beendigung des Insolvenzverfahrens werden die Forderungen so gut es geht erfüllt. Meistens ist das Vermögen des Arbeitgebers aber geringer als die Höhe der Forderungen. Sie werden also selten in voller Höhe erfüllt. Häufig beträgt die Insolvenzquote nur 2-10 %.
Beispiel:
Arbeitnehmer A hat eine offene Schadensersatzforderung in Höhe von 2.000 € gegen Arbeitgeber B. Insgesamt hat B Schulden bei Gläubigern in Höhe von 20 Mio. €. Sein Vermögen (Insolvenzmasse) beträgt aber nur 1 Mio. €.
Um keinen Gläubiger zu bevorzugen, wird dann die Insolvenzquote berechnet (Verhältnis zwischen verbleibender Insolvenzmasse und Gläubigerforderungen). Jeder Gläubiger bekommt nur diesen Prozentsatz von seiner Forderung ausgezahlt. Hier sind das 2 %. A erhält also nur 40 € von seiner Schadensersatzforderung.
Fristlose Kündigung in der Insolvenz
Eine außerordentliche, fristlose Kündigung ist hingegen nur bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen denkbar. Diese müssen das Arbeitsverhältnis für den Insolvenzverwalter unzumutbar machen – selbst nur für die Dauer der Kündigungsfrist (z.B. Straftaten, Mobbing). Die fristlose Kündigung in der Insolvenz ist daher äußerst selten.
Kündigungsfrist von Arbeitnehmern in der Insolvenz
Möchten Sie selbst kündigen, gilt Ihre gewöhnliche Kündigungsfrist. Diese ergibt sich in erster Linie aus dem Arbeits- oder Tarifvertrag. Ist dort nichts geregelt oder ist die Vereinbarung unwirksam, gilt eine Frist von vier Wochen zum 15. oder zum Monatsende. Die Frist beginnt erst, sobald das Kündigungsschreiben dem Insolvenzverwalter zugeht.
Was gilt im Schutzschirmverfahren für die Kündigung?
Der Arbeitgeber kann ein Schutzschirmverfahren beantragen. Dabei handelt es sich um eine besondere Art des vorläufigen Insolvenzverfahrens. Es findet zwischen dem Insolvenzantrag und der Eröffnung des eigentlichen Insolvenzverfahrens statt.
Bei dem Schutzschirmverfahren bereitet der Arbeitgeber in Eigenverantwortung die Sanierung des Unternehmens vor. Er wird lediglich von einem Sachverwalter beaufsichtigt. Der Insolvenzverwalter übernimmt noch keine Befugnisse.
Auch hier gilt weiterhin der gesetzliche Kündigungsschutz. Oft werden betriebsbedingte Kündigen ausgesprochen. Diese können aber insbesondere wegen Fehlern bei Sozialauswahl unwirksam sein.
Die kürzere Kündigungsfrist nach § 113 InsO greift hier noch nicht. Relevant ist also, was im Vertrag vereinbart wurde. Ansonsten gilt § 622 BGB. Allerdings besteht das Risiko, dass der Insolvenzverwalter noch eine Nachkündigung ausspricht.
Kündigung schon im vorläufigen Insolvenzverfahren?
Bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt werden, um erste Maßnahmen zu treffen.
Wenn ein sogenannter „starker“ vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt wird, darf dieser bereits selbst Kündigungen vornehmen. Die besondere Kündigungsfrist aus § 113 InsO gilt dabei aber noch nicht.
Dies ist bei der vorläufigen Insolvenz jedoch die Ausnahme. Meistens wird ein „schwacher“ Insolvenzverwalter bestellt. Dann verbleibt die Kündigungsbefugnis beim Arbeitgeber.
Muster: Kündigung des Arbeitnehmers im Insolvenzverfahren
Ist Ihr Arbeitgeber insolvent, ist die Beschäftigungsperspektive oft düster. Viele Arbeitnehmer schauen sich anderweitig um, erhalten eine Jobzusage und möchten die Stelle beim insolventen Arbeitgeber kündigen.
Ein Kündigungsschreiben für eine ordentliche Kündigung kann etwa so aussehen:
Achtung: Dieses Muster ersetzt keine Beratung im Einzelfall. Je nach Phase der Insolvenz richtet sich die Kündigung gegen den Arbeitgeber oder den Insolvenzverwalter. Fehler können dazu führen, dass Ihre Kündigung unwirksam ist.
Ihr Name
Straße
Ort
Ort, Datum
Name des Insolvenzverwalters
Straße
Ort
„als Verwalter über das Vermögen des“
Name Ihres Arbeitgebers
Kündigung des bestehenden Arbeitsverhältnisses vom (Datum des Vertragsbeginns)
Sehr geehrte/r Frau/Herr… (Name des Insolvenzverwalters),
hiermit kündige ich mein Arbeitsverhältnis vom … ordentlich und fristgerecht zum …, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt.
Bitte bestätigen Sie mir den Erhalt der Kündigung und das Beendigungsdatum schriftlich.
Ich bitte Sie, mir ein qualifiziertes berufsförderndes Arbeitszeugnis auszustellen.
Für die Zusammenarbeit bedanke ich mich.
Mit freundlichen Grüßen
(handschriftliche Unterschrift!)
Name
Achtung: Wenn das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung durchgeführt wird, müssen Sie die Kündigung allein an Ihren Arbeitgeber richten.
Fazit
- Das Insolvenzverfahren beendet nicht automatisch Ihr Arbeitsverhältnis, noch stellt es einen eigenen Kündigungsgrund dar.
- Häufig führt die Insolvenz Ihres Arbeitgebers aber zu betriebsbedingten Kündigungen. Diese ist aufgrund der hohen Hürden des KSchG (Sozialauswahl, Formerfordernisse) fehleranfällig.
- Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gilt stets eine besondere Kündigungsfrist von maximal 3 Monaten. Kürzere Kündigungsfristen gelten unverändert weiter.
- Im Schutzschirmverfahren und bei vorläufiger Insolvenz gilt die besondere, dreimonatige Kündigungsfrist noch nicht.
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