Abfindung bei Insolvenzverfahren – ein leeres Versprechen?

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In einer wirtschaftlichen Krise oder im Insolvenzverfahren werden vermehrt Kündigungen ausgesprochen. Der einzige Trost für Arbeitnehmer ist hier oftmals die Abfindung. Doch die Mittel des insolventen Arbeitgebers sind naturgemäß begrenzt. Ob und in welchem Umfang Sie Ihre Abfindung bei einem Insolvenzverfahren des Arbeitgebers erhalten, erklären wir in diesem Beitrag.

 

  • Inhaltsverzeichnis

  1. Ist eine Kündigung bei Insolvenzverfahren möglich?

Durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens wird das Arbeitsverhältnis grundsätzlich nicht beeinflusst. Das bedeutet vor allem, dass die Insolvenz Ihren Arbeitsvertrag nicht einfach auflöst. Jedoch gelten in der Insolvenz weitestgehend die normalen Regeln für die Kündigung – eine Entlassung ist also keineswegs ausgeschlossen.

Wenn in Ihrem Betrieb regelmäßig mehr als 10 Mitarbeiter beschäftigt sind und Sie mehr als 6 Monate dort gearbeitet haben, genießen Sie den allgemeinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Danach braucht es einen personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Grund, um Ihnen zu kündigen. Die Insolvenz selbst gilt nicht als Kündigungsgrund. Allerdings fällt es dem Arbeitgeber in dieser Situation regelmäßig recht leicht, eine betriebsbedingte Kündigung zu begründen (s.u.).

Daneben gelten die Regeln des besonderen Kündigungsschutzes, z.B. für Schwangere, Schwerbehinderte und Betriebsräte. Deren Entlassung ist oft nur in wirtschaftlich gravierenden Fällen wie einer Betriebsschließung oder nach Zustimmung einer Behörde möglich.

Im Insolvenzverfahren ergeben sich zusätzlich u.a. diese Besonderheiten:

  • Oft werden insolvente Betriebe umstrukturiert. Wenn dadurch der Bedarf für Ihre Stelle wegfällt, kommt eine betriebsbedingte Kündigung in Betracht. Es ist nicht selten, dass bei einer Insolvenz unprofitable Betriebszweige ganz eingestellt werden.
  • Wenn für das Insolvenzverfahren ein Insolvenzverwalter bestellt wird, übernimmt dieser die Funktionen Ihres Arbeitgebers. Die Kündigung wird deshalb regelmäßig vom Insolvenzverwalter ausgesprochen.
  • Wenn Ihr Betriebsrat mit dem Insolvenzverwalter einen Interessenausgleich unter Nennung der zu kündigenden Arbeitnehmer aushandelt, erleichtert dies die Kündigung durch den Insolvenzverwalter. Denn in diesem Fall wird vermutet, dass ein betriebsbedingter Kündigungsgrund besteht. Das ist insbesondere bei einem Gerichtsverfahren gegen die Kündigung relevant. Man spricht von einer besonderen Form des Interessenausgleichs mit Namensliste.
  • Die Kündigungsfrist ist im Insolvenzverfahren auf maximal drei Monate begrenzt. Das gilt auch für Arbeitnehmer, die z.B. wegen eines Tarifvertrags oder der Befristung ihres Vertrags vor der Insolvenz ordentlich unkündbar waren.

Wichtig: Um gegen die Kündigung vorzugehen, müssen Sie innerhalb von drei Wochen Klage erheben. Daher sollten Sie so früh wie möglich einen Fachanwalt für Arbeitsrecht aufsuchen.

 

  1. Erhalte ich die volle Abfindung trotz Insolvenzverfahren?

Bei einer Kündigung besteht nicht automatisch ein Anspruch auf Abfindung. Dieser Grundsatz gilt genauso auch im Insolvenzverfahren. In der Praxis gibt es jedoch einige Fälle, in denen Sie auf eine Abfindung hoffen können:

  • Oft bietet der Arbeitgeber bzw. Insolvenzverwalter zusammen mit einer betriebsbedingten Kündigung eine Abfindung an unter der Bedingung, dass Sie nicht gegen die Kündigung klagen. Wenn Sie sich an die „Abmachung“ halten, haben Sie einen Anspruch auf die Abfindung (§ 1a KSchG).
  • Entscheiden Sie sich für eine Klage gegen die Kündigung, lässt sich oftmals im Gerichtsverfahren eine Abfindung aushandeln. Denn der Arbeitgeber bzw. Insolvenzverwalter hat ein Interesse daran, den teuren und langwierigen Prozess durch einen Vergleich zu beenden.
  • Wenn Sie einen Aufhebungsvertrag mit dem Arbeitgeber bzw. Insolvenzverwalter abschließen, sollte darin eine Abfindung vereinbart sein. Ein Aufhebungsvertrag ist für die andere Seite insbesondere dann interessant, wenn Ihnen nur schwer gekündigt werden kann (z.B., wenn Sie schwanger sind).
  • Der Betriebsrat wird für Sie im Sozialplan häufig eine Abfindung aushandeln. Allerdings ist die Höhe hier gesetzlich auf 2,5 Bruttomonatsverdienste begrenzt.

Auch wenn Ihnen in diesen Fällen grundsätzlich eine Abfindung zusteht, erhalten Sie die Zahlung nicht immer in voller Höhe. Denn im Insolvenzverfahren werden die knappen Mittel des Arbeitgebers auf viele verschiedene Gläubiger aufgeteilt. Entscheidend ist, ob die Abfindung eine Insolvenzforderung oder eine Masseverbindlichkeit ist:

  • Wenn Ihre Abfindung als Insolvenzforderung gilt, müssen Sie die Forderung wie alle anderen Gläubiger zur Insolvenztabelle anmelden. Das Schuldnervermögen wird auf alle Forderungen der Tabelle aufgeteilt. Die Gläubiger erhalten meistens nur einen Teil ihrer Forderung, da die Mittel insgesamt zu knapp sind. Nur in seltenen Fällen beträgt die Insolvenzquote mehr als 10%.
  • Wenn Ihre Abfindung hingegen als Masseforderung zu werten ist, erhalten Sie Ihr Geld vorrangig und meistens ungekürzt.

Ob Ihre Abfindung eine Insolvenzforderung oder eine Masseforderung ist, hängt davon ab, wann die Abfindung vereinbart wird. In den folgenden Fällen handelt es sich grundsätzlich um eine Insolvenzforderung:

  • Der Arbeitgeber kündigt Ihnen vor der Insolvenzeröffnung und verspricht Ihnen eine Abfindung.
  • Sie haben vor dem Insolvenzverfahren einen Aufhebungsvertrag mit Abfindung abgeschlossen. Ausnahmen gelten, wenn der Vertragspartner Masseforderungen begründen darf (s.u.).
  • Ihr Arbeitsvertrag, ein Tarifvertrag oder Sozialplan aus der Zeit vor der Insolvenzeröffnung verspricht Ihnen eine Abfindung. In diesem Fall ist es irrelevant, wer die Kündigung wann ausspricht.

Achtung: Wurde Ihnen der Betrag bereits ausgezahlt, kann der Insolvenzverwalter die Zahlung unter Umständen zurückverlangen. Wussten Sie von der Zahlungsunfähigkeit oder dem Insolvenzantrag, darf er ggf. Zahlungen aus dem Zeitraum von bis zu drei Monaten vor Stellung des Insolvenzantrags oder danach zurückfordern (sog. Insolvenzanfechtung). Dies ist allerdings bei weitem nicht in allen Fällen möglich. Ficht der Insolvenzverwalter an, sollten Sie daher einen Anwalt aufsuchen.

In den folgenden Fällen ist Ihre Abfindung eine Masseforderung und Sie dürfen meist auf den vollen Betrag hoffen:

  • Ihr Arbeitgeber kündigt Ihnen vor der Insolvenz und Sie klagen gegen die Kündigung. Wenn der Prozess während des Insolvenzverfahrens weiterläuft, übernimmt der Insolvenzverwalter die Prozessführung. Einigt sich dieser mit Ihnen auf einen Vergleich inkl. Abfindung, ist dieser Anspruch eine Masseforderung.
  • Der Insolvenzverwalter kündigt Ihnen während des Insolvenzverfahrens oder unterschreibt einen Aufhebungsvertrag.
  • Sie erhalten vor der Insolvenzeröffnung vom vorläufigen Insolvenzverwalter oder dem Arbeitgeber in Eigenverwaltung (s.u.) eine Abfindung z.B. durch Aufhebungsvertrag zugesichert. Hierbei handelt es sich allerdings nur um eine Abfindung, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter oder Arbeitgeber ausdrücklich zur Begründung von Masseverbindlichkeiten befugt ist. Dies entnehmen Sie den Beschlüssen des Insolvenzgerichts.

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  1. Was passiert mit der Abfindung im Schutzschirmverfahren?

Das Schutzschirmverfahren ist eine besondere Art und Phase des vorläufigen Insolvenzverfahrens. Zeitlich liegt dieser Abschnitt zwischen dem Insolvenzantrag und der Eröffnung des eigentlichen Insolvenzverfahrens. Ihr Arbeitgeber muss diese Art des Verfahrens ausdrücklich beantragen und sie wird nur unter strengen Voraussetzungen vom Insolvenzgericht genehmigt.

Was passiert mit der Abfindung im Schutzschirmverfahren?

Was passiert mit der Abfindung im Schutzschirmverfahren?

Beim Schutzschirmverfahren wird das Unternehmen weiterhin vom Inhaber geführt (sog. Eigenverwaltung) und dieser muss einen Insolvenzplan ausarbeiten. Zusätzlich beaufsichtigt ein Sachwalter das Verfahren. Ziel des Schutzschirmverfahrens ist es, dass Ihr Arbeitgeber frühzeitig einen Insolvenzantrag stellt und sich um eine Sanierung des Unternehmens mithilfe eines sog. Insolvenzplans bemüht.

Auch hier ist wieder der Zeitpunkt der Vereinbarung entscheidend für die Frage, ob und in welchem Umfang Sie auf Ihre Abfindung in voller Höhe hoffen dürfen.

a. Abfindung vor Insolvenzantrag zugesichert

Wenn Ihre Abfindung vor dem Insolvenzantrag zugesichert und noch nicht ausbezahlt wurde, haben Sie grundsätzlich auch im Schutzschirmverfahren einen Anspruch auf Auszahlung des Betrags. Allerdings ist während dieser Phase die Zwangsvollstreckung in der Regel nicht möglich. Das bedeutet, Ihr Arbeitgeber kann in dieser Zeit die Auszahlung der Abfindung verweigern, ohne dass Sie ein Druckmittel in der Hand hätten.

In vielen Fällen nutzen Arbeitgeber diese Lage für sich aus. Sie zahlen versprochene Abfindungen nicht und warten bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Dann gelten wiederum die oben genannten Regeln: Weil Ihre Abfindung vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens versprochen wurde, handelt es sich um eine Insolvenzforderung und Sie erhalten eine Quote des Betrags. Zu diesem worst-case kommt es allerdings nur, wenn die offenen Abfindungen nicht in einem sog. Insolvenzplan geregelt werden. Dieser ist vorrangiges Ziel des Schutzschirmverfahrens und regelt unter Einbeziehung der Gläubiger u.a., wer wie viel von seinen Forderungen erhält. Hier werden auch die noch offenen Abfindungen der Arbeitnehmer thematisiert und meist zu einem bestimmten Anteil zugesprochen. Wie hoch der jeweilige Betrag ausfällt, hängt von den Verhandlungen ab.

Sie sollten sich wegen dieser Unsicherheiten dringend von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht beraten lassen, wenn Sie während einer Krise z.B. einen Aufhebungsvertrag unterschreiben, um eine betriebsbedingte Kündigung zu vermeiden. Ihr Anwalt wird dann für die Sicherung Ihrer Zahlung sorgen.

b. Abfindung nach Insolvenzantrag zugesichert

Denkbar ist auch, dass Ihr Arbeitgeber Ihnen die Abfindung nach der Stellung des Insolvenzantrags (also im Schutzschirmverfahren) zusichert. Solche Entscheidungen darf Ihr Arbeitgeber treffen, weil er während des Schutzschirmverfahrens in Eigenverwaltung handelt. Also kann auch in diesem Zeitraum zum Beispiel durch einen Aufhebungsvertrag ein Abfindungsanspruch begründet werden. Wie im vorherigen Fall handelt es sich dann bei der Abfindung um eine Insolvenzforderung und Sie erhalten nach der Insolvenzeröffnung im schlechtesten Fall nur eine Quote von Ihrer Forderung. Werden die Abfindungen in einem Insolvenzplan thematisiert, bestimmt wiederum die Verhandlung die Höhe des auszuzahlenden Betrags.

Hiervon gibt es aber eine Ausnahme: Das Insolvenzgericht ordnet auf Antrag des Arbeitgebers an, dass die eingegangenen Verpflichtungen Masseverbindlichkeiten sind. Masseverbindlichkeiten werden, wie oben erklärt, vorrangig bedient. Den entsprechenden Antrag wird Ihr Arbeitgeber meist zusammen mit dem Antrag auf das Schutzschirmverfahren stellen. In der Regel ist deshalb schon im Beschluss über die Eröffnung dieses Verfahrens festgelegt, ob Ihr Arbeitgeber Masseverbindlichkeiten begründen kann.

 

  1. Fazit

  • Kündigungen sind auch im Insolvenzverfahren möglich. Es gelten weitestgehend die normalen Regeln zum Kündigungsschutz.
  • Eine Abfindung erhalten Sie, wenn diese z.B. im Arbeits- oder Tarifvertrag, im Sozialplan, in einem gerichtlichen Vergleich, oder im Zusammenhang mit der Kündigung vorgesehen ist.
  • Wenn Ihre Abfindung eine Insolvenzforderung ist, erhalten Sie eine Insolvenzquote von selten mehr als 10%. Handelt es sich um eine Masseforderung, erhalten Sie meistens die volle Abfindung.
  • Welchen Status Ihre Abfindung hat, hängt maßgeblich vom Zeitpunkt ihrer Begründung ab.
  • Während des Schutzschirmverfahrens können Sie vorher versprochene Abfindungen nicht zwangsvollstrecken.
  • Während des Schutzschirmverfahrens versprochene Abfindungen sind nur dann Masseforderung, wenn Ihr Arbeitgeber vom Insolvenzgericht zur Begründung von Masseverbindlichkeiten ermächtigt wurde.