Das Gesetz schützt Schwerbehinderte in besonderem Maße vor einer Kündigung des Arbeitsvertrags. Wir erklären Ihnen, was Sie zur Kündigung Schwerbehinderter wissen sollten.

Rechtsanwalt-Dr.-Drees-aus-Bonn Autor: Rechtsanwalt Dr. Christian H. P. M. Drees.

Dr. Christian H. P. M. Drees ist seit über einem Jahrzehnt Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht in Bonn. Er hat deutschlandweit bereits viele Schwerbehinderte beim Vorgehen gegen ihre Kündigung unterstützt. Dieser Beitrag basiert auf seiner langjährigen Erfahrung in der Arbeitnehmerberatung.

Inhaltsverzeichnis

Wann ist man schwerbehindert?

Schwerbehindert ist, wer einen Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 aufweist. Ab einem GdB von 30 können Betroffene die Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten bei der Arbeitsagentur beantragen.

Schwerbehindert oder gleichgestellt sind zum Beispiel oft Personen mit folgenden Leiden:

  • Verlust von Körperteilen
  • Chronischen Erkrankungen
  • Gelenkversteifungen
  • Entstellungen des Gesichts
  • Krebserkrankungen
  • Schwerer Migräne
  • Hirnschäden oder psychischen Störungen
  • Diabetes
  • Herz-Erkrankungen

Liegen mehrere Beschwerden vor, kann dadurch auch der GdB steigen.

Um Nachteilsausgleiche und Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen, sollten Betroffene zunächst einen Schwerbehindertenausweis beantragen. Dieser dient als offizieller Nachweis für die Schwerbehinderung. Der Antragsteller durchläuft dann eine ärztliche Untersuchung, bei der der Arzt je nach Schwere der Beeinträchtigung den GdB feststellt. Wir raten schwerbehinderten Arbeitnehmern zu einem Schwerbehindertenausweis. Dieser erleichtert die Beweisführung im Streitfall deutlich.

Welcher besondere Kündigungsschutz gilt für Schwerbehinderte?

Schwerbehinderte Arbeitnehmer genießen besonderen Kündigungsschutz gemäß dem Sozialgesetzbuch (SGB IX). So werden sie gegen eine Benachteiligung auf dem Arbeitsmarkt aufgrund der Behinderung geschützt. Unkündbar sind Schwerbehinderte aber nicht.

Welcher besondere Kündigungsschutz gilt für Schwerbehinderte?

Welcher besondere Kündigungsschutz gilt für Schwerbehinderte?

Wenn Arbeitgeber schwerbehinderte Mitarbeiter kündigen wollen, gelten folgende Schutzvorschriften:

  • Zustimmungspflicht des Integrationsamtes: Für die Kündigung eines Schwerbehinderten benötigt der Arbeitgeber nach § 167 I SGB IX die Zustimmung des Integrationsamtes. Das Integrationsamt prüft, ob die Kündigung aus Gründen der Schwerbehinderung unzulässig ist und ob es alternative Lösungen zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gibt.
  • Allgemeiner Kündigungsschutz: Für Schwerbehinderte gilt daneben auch der gewöhnliche, allgemeine Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Insbesondere schreibt § 1 KSchG vor, dass Arbeitgeber einen personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Kündigungsgrund haben müssen, um Mitarbeiter zu entlassen. Wenn der Arbeitgeber wegen eines Stellenabbaus kündigt, muss er vorrangig weniger schutzbedürftigen Mitarbeitern kündigen (sog. Sozialauswahl).
  • Anhörung von Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung: Arbeitgeber dürfen schwerbehinderte Arbeitnehmer nicht kündigen, ohne zuvor den Betriebsrat und die Schwerbehindertenvertretung angehört zu haben. Geschieht dies nicht, ist die Kündigung rechtswidrig.
  • Erweiterte Kündigungsfristen: Arbeitgeber dürfen Schwerbehinderte nur mit einer Mindestkündigungsfrist von vier Wochen kündigen. Anders als bei anderen Arbeitnehmern darf der Arbeits- oder Tarifvertrag keine kürzere Kündigungsfrist vorsehen.
  • Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG): In wenigen Ausnahmen, wie z.B. in der Probezeit, genießen auch Schwerbehinderte keinen besonderen Kündigungsschutz. Eine Kündigung verstößt dann aber oft gegen das AGG. Das gilt insbesondere dann, wenn ein enger Zusammenhang zwischen der Kündigung und der Behinderung des Arbeitnehmers besteht.
  • Schwerbehindertenausgleichsabgabe: Wer durchschnittlich mehr als 20 Arbeitnehmer im Jahr beschäftigt, muss grundsätzlich auf mindesten 5 % der Arbeitsplätze Schwerbehinderte beschäftigen. Kommt das Unternehmen dem nicht nach, muss es jährlich eine Ausgleichsabgabe an das Integrationsamt zahlen. Die Kündigung von Schwerbehinderten kann daher auch wirtschaftliche Nachteile mit sich bringen.

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Wann stimmt das Integrationsamt der Kündigung zu?

Ob das Integrationsamt der Kündigung zustimmt, hängt stets vom jeweiligen Einzelfall ab. Bei der Entscheidung wägt das Amt die Interessen des Arbeitgebers mit den Schutzinteressen des Schwerbehinderten ab.

Insbesondere prüft das Integrationsamt, ob die Kündigung in dem jeweiligen Fall notwendig ist. Dies ist nicht der Fall, wenn es alternative Lösungen gibt. Anstelle der Kündigung könnte der Arbeitgeber den Schwerbehinderten zum Beispiel auf einer anderen Stelle weiterbeschäftigen. Im Falle einer betriebsbedingten Kündigung muss er ohnehin vorrangig weniger schutzbedürftige Arbeitnehmer kündigen (Sozialauswahl).

Grundsätzlich gilt: Je mehr die Kündigung mit der Schwerbehinderung des Arbeitnehmers zusammenhängt, desto strenger prüft das Integrationsamt die Notwendigkeit.

Es gibt aber einige Ausnahmefälle, in denen das Integrationsamt weniger Ermessensspielraum hat. Nach § 172 SGB IX „soll“ es seine Zustimmung erteilen, wenn:

  • Der Betrieb eingestellt oder aufgelöst wird. Jedoch müssen zwischen der Kündigung und dem Tag der letzten Gehaltszahlung mindestens 3 Monate liegen.
  • Die Beschäftigung des Schwerbehinderten den Betrieb dauerhaft und wesentlich einschränkt und die Gesamtzahl der weiterhin beschäftigten schwerbehinderten Menschen zur Erfüllung der Beschäftigungspflicht nach § 154 SGB IX ausreicht.
  • Der schwerbehinderte Mitarbeiter sicher einen anderen, angemessenen Arbeitsplatz hat.
  • Der Arbeitgeber insolvent ist und die weiteren Voraussetzungen des § 172 Abs. 3 SGB IX vorliegen.

Achtung: Die Zustimmung des Integrationsamtes ist nicht endgültig. Der Betroffene kann (und sollte oft) dagegen Widerspruch und Klage erheben. Allerdings hat ein Widerspruch keine aufschiebende Wirkung. Der Arbeitgeber darf den Schwerbehinderten also zunächst kündigen. Hat der Widerspruch oder die Klage Erfolg, ist die Kündigung jedoch rückwirkend unwirksam.

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Abfindung für schwerbehinderte Arbeitnehmer

Schwerbehinderte Arbeitnehmer haben besonders gute Chancen, erfolgreiche eine Abfindung zu verhandeln.

Aufgrund der vielen Schutzvorschriften für Schwerbehinderte ist die Kündigung häufig rechtswidrig und damit leicht gerichtlich angreifbar. Dies birgt ein hohes Risiko für den Arbeitgeber: Falls der schwerbehinderte Arbeitnehmer gegen die Kündigung klagt und gewinnt, muss der Arbeitgeber seinen Lohn für die gesamte Prozessdauer nachzahlen.

Arbeitgeber zahlen daher häufig eine hohe Abfindung dafür, dass der schwerbehinderte Mitarbeiter die Klagefrist verstreichen lässt oder seine bereits erhobene Klage zurücknimmt.

Wie hoch die Abfindung ausfällt, hängt davon ab, wie gut der Arbeitgeber Ihre Kündigung vor Gericht begründen kann. Je eher das Gericht dem Arbeitnehmer recht gibt, desto höhere Beträge sind realistisch.

Mehrere Wege zu einer Abfindung kommen in Betracht:

  • Aufhebungsvertrag: Anstelle einer Kündigung können Arbeitgeber und Arbeitnehmer einvernehmlich einen Aufhebungsvertrag schließen, in welchem sie die Konditionen der Vertragsbeendigung aushandeln. Teil dieser Vereinbarung ist meist auch eine Abfindung.
  • Abfindungsangebot: Häufig bietet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Kündigungsschreiben eine Abfindung nach § 1a KSchG an. Diese bekommt der Arbeitnehmer, wenn er nicht gegen die Kündigung klagt. Schwerbehinderte können oft aber einen höheren Betrag aushandeln als ursprünglich angeboten.
  • Abwicklungsvertrag: Auch wenn der Arbeitgeber zunächst keine Abfindung anbietet, können die Parteien noch nach Ausspruch der Kündigung eine Abfindung aushandeln. Dies geschieht im Rahmen eines sog. Abwicklungsvertrags. Der schwerbehinderte Arbeitnehmer verzichtet darin auf eine Klage gegen die Kündigung.
  • Sozialplan: Wenn mehrere Arbeitnehmer aus betrieblichen Gründen entlassen werden, sieht häufig ein Sozialplan finanzielle Entschädigungen in Form von Abfindungen vor. Unter Umständen haben Sie gute Chancen, durch individuelle Verhandlungen einen höheren Betrag zu erzielen.
  • Tarifvertragliche Regelungen: In einigen wenigen Fällen sieht schon der Tarifvertrag eine bestimmte Abfindung im Falle der Kündigung vor.
  • Kündigungsschutzklage: Zuletzt können Arbeitnehmer eine Abfindung auch dadurch erreichen, dass sie mit Hilfe eines Anwalts gegen die Kündigung klagen. Häufig einigen sich die Parteien dann vor Gericht per sog. Vergleich auf eine Abfindung. Im Gegenzug lässt der Arbeitnehmer dann seine Klage fallen und akzeptiert so die Kündigung.

Was gilt für die Kündigung eines Schwerbehinderten während der Probezeit?

Während der Probezeit genießen auch Schwerbehinderte keinen besonderen Kündigungsschutz. Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX kann sie der Arbeitgeber in den ersten sechs Monaten kündigen, ohne dass das Integrationsamt vorher zustimmt.

Auch der allgemeine Kündigungsschutz nach dem KSchG gilt nicht in der Probezeit.

Allerdings müssen dann andere Schutzgesetze beachtet werden, insbesondere das AGG. Je enger die Kündigung mit der Behinderung des Arbeitnehmers zusammenhängt, desto näher liegt ein Verstoß gegen das AGG.

Achtung: Der Betriebsrat muss jedoch immer auch in der Probezeit angehört werden.

Ist eine Kündigung Schwerbehinderter wegen Krankheit möglich?

Die krankheitsbedingte Kündigung schwerbehinderter Arbeitnehmer ist grundsätzlich möglich, sofern das Integrationsamt der Kündigung zustimmt. Die Krankheit eines Arbeitnehmers stellt nämlich häufig einen personenbedingten Kündigungsgrund nach § 1 Abs. 2 KSchG dar.

Ist eine Kündigung Schwerbehinderter wegen Krankheit möglich?

Ist eine Kündigung Schwerbehinderter wegen Krankheit möglich?

Allerdings bestehen strenge Voraussetzungen für die krankheitsbedingte Kündigung eines Schwerbehinderten:

  • Negative Zukunftsprognose: Zunächst muss der Arbeitgeber davon ausgehen können, dass die Krankheit die Arbeitsleistung des Betroffenen auch in Zukunft erheblich beeinträchtigt. Fehlzeiten in der Vergangenheit sind dafür ein Indiz; maßgeblich ist aber die künftige Entwicklung, die oft der Arzt attestiert.
  • Interessenabwägung: Die Arbeitsunfähigkeit muss die betrieblichen Interessen des Arbeitgebers so erheblich beeinträchtigen, dass dies die Schutzbedürftigkeit des schwerbehinderten Arbeitnehmers überwiegt. Insbesondere dürfen keine milderen Mittel, wie die Weiterbeschäftigung auf einer anderen Stelle, ersichtlich sein.
  • Der Arbeitgeber ist gut beraten, ein sog. betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anzubieten. In dessen Rahmen besprechen Sie Möglichkeiten, wie der Arbeitnehmer leidensgerecht weiterbeschäftigt werden kann. Lässt der Arbeitgeber das Angebot aus, erhöht dies seinen Begründungsaufwand vor Gericht deutlich.Hier erfahren Sie mehr dazu, ob Sie eine Kündigung erwartet, wenn Sie das BEM oder die Wiedereingliederung ablehnen.

Was gilt für die Kündigung Schwerbehinderter in einem Kleinbetrieb?

Auch in Kleinbetrieben genießen Schwerbehinderte den besonderen Kündigungsschutz nach dem SGB IX. Sie dürfen also auch in Betrieben mit 10 oder weniger Mitarbeitern nicht ohne die Zustimmung des Integrationsamtes entlassen werden. Außerdem muss der Arbeitgeber vorher den Betriebsrat und die Schwerbehindertenvertretung anhören.

Trotzdem ändert die Größe des Betriebes etwas an der Schutzwürdigkeit der schwerbehinderten Arbeitnehmer. Es gibt insbesondere keinen:

  • Allgemeinen Kündigungsschutz nach dem KSchG
  • Schwerbehindertenausgleich in Form von jährlichen Abgaben an das Integrationsamt.

Fazit

  • Schwerbehindert ist, wer einen Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 hat. Ab einem GdB von 30 können Sie die Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten bei der Arbeitsagentur beantragen.
  • Für die Kündigung eines Schwerbehinderten benötigt der Arbeitgeber die Zustimmung des Integrationsamtes. Der allgemeine Kündigungsschutz nach dem KSchG gilt gleichwohl.
  • Je enger die Kündigung mit der Schwerbehinderung des Arbeitnehmers zusammenhängt, desto eher versagt das Integrationsamt die Zustimmung. In einigen Ausnahmefällen, wie der Insolvenz oder Betriebsstillegung, ist die Integrationsbehörde jedoch gesetzlich dazu angehalten, der Kündigung zuzustimmen.
  • Aufgrund der strengen Schutzvorschriften haben schwerbehinderte Arbeitnehmer besonders gute Chancen auf eine hohe Abfindung im Falle der Kündigung.
  • In der Probezeit und in Kleinbetrieben sind schwerbehinderte Arbeitnehmer weniger gut geschützt.

Wie unsere Mandanten das Engagement von Dr. Drees bewerten

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