Unkündbarkeit: Warum es sie nicht gibt
Häufig hört man, ältere Arbeitnehmer, Betriebsratsmitglieder und andere seien unkündbar. Hier erfahren Sie, warum Sie sich als „unkündbarer“ Arbeitnehmer trotzdem nicht vollkommen in Sicherheit wiegen können und wie Sie im Falle einer Kündigung des Arbeitsvertrags handeln sollten.
Wann gilt man als unkündbar?
Unkündbarkeit bedeutet, dass Ihr Arbeitgeber Sie nicht mehr ordentlich kündigen kann. Dieser Vorteil kann sich aus dem Gesetz ergeben oder auch in Ihrem Tarifvertrag festgelegt sein.
Unkündbarkeit per Gesetz
Besonders schutzbedürftige Personengruppen genießen Unkündbarkeit nach dem Gesetz. Ihr Arbeitgeber darf Sie zum Beispiel nicht ordentlich kündigen, wenn Sie sich in folgender Lebenssituation befinden:
- Schwanger
- In Elternzeit (gilt für Mütter und Väter)
- In der Ausbildung (nach Ablauf der Probezeit von 6 Monaten)
Ordentlich unkündbar sind außerdem die Vertreter der Belegschaft. Nur so können diese ihre Funktion als Interessenvertreter der Arbeitnehmer ausüben, ohne vom Arbeitgeber abhängig zu sein. Das gilt für:
- Betriebsratsmitglieder
- Gleichstellungsbeauftragte
- Jugend-und Auszubildendenvertretung
- Personalratsmitglieder
- Schwerbehindertenvertreter
- Mitarbeitervertreter
- Wahlbewerber und Mitglieder des Wahlvorstandes für diese Positionen
Auch Schwerbehinderte genießen hohen Kündigungsschutz. Unkündbar sind sie aber nicht.
Unkündbarkeit per Tarifvertrag
Insbesondere ältere und langjährige Beschäftigte genießen häufig einen besonderen Kündigungsschutz per Tarifvertrag. In den alten Bundesländern schreibt § 34 Abs. 2 Satz 1 Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) beispielsweise vor, dass Beschäftigte ordentlich unkündbar sind, sobald sie das 40. Lebensjahr vollendet haben und schon länger als 15 Jahre für denselben Arbeitgeber tätig sind.
Aber auch andere Tarifverträgen stellen Teile der Belegschaft ordentlich unkündbar. Diese gilt dann meistens ab einem Alter von 53 bis 58 Jahren und zusätzlich einer langen Betriebszugehörigkeit.
Achtung: Wenn Ihr Arbeitgeber Sie nicht ordentlich kündigen kann, steht es Ihnen als Arbeitnehmer trotzdem frei, das Arbeitsverhältnis fristgerecht zu kündigen. Nur die Kündigung eines befristeten Arbeitsverhältnisses ist nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) beidseitig ausgeschlossen. Diese Regelung kann aber vertraglich abbedungen werden.
Warum sind Arbeitnehmer nicht wirklich unkündbar?
Egal ob gesetzlich oder tarifvertraglich unkündbar, Sie können sich als Arbeitnehmer nie ganz in Sicherheit vor einer Kündigung wiegen. Meistens bedeutet Unkündbarkeit nämlich nur, dass Ihr Arbeitgeber Sie nicht ordentlich kündigen darf. Eine außerordentliche Kündigung gemäß § 626 BGB ist aber weiterhin möglich.
Achtung: Ein vertraglicher Ausschluss der außerordentlichen Kündigung ist nach der Rechtsprechung unzulässig und somit wirkungslos.
Die außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB ist jedoch nur für Ausnahmefälle vorgesehen. Für eine solche Kündigung muss einer „wichtiger Grund“ vorliegen, der das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber unzumutbar macht. An die Unzumutbarkeit werden hohe Maßstäbe gesetzt. Der Arbeitgeber darf einen unkündbaren Mitarbeiter nur außerordentlich kündigen, wenn sein Interesse an der Kündigung die Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers deutlich überwiegt.
Das kommt etwa in diesen Fällen in Betracht:
Kündigung wegen Pflichtverletzung
Besonders schwere Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers können eine außerordentliche Kündigung trotz Unkündbarkeit rechtfertigen.
Anerkannte Gründe sind:
- Begehung einer Straftat zum Nachteil des Arbeitgebers (Diebstahl, Betrug, Unterschlagung, Urkundenfälschung,…); Verurteilungen wegen Verhaltens in der Freizeit spielen in aller Regel keine Rolle
- Schweres Mobbing von Kollegen
- Arbeitszeitbetrug
- Körperliche Angriffe am Arbeitsplatz
- Beharrliche Arbeitsverweigerung
- Kündigung wegen Krankfeierns
Auch hier werden hohe Maßstäbe gesetzt. Die Pflichtverletzung muss es dem Arbeitgeber unerträglich machen, den Mitarbeiter weiterhin zu beschäftigen. Hierbei kommt es stets auf den Einzelfall an. Auch die oben genannten Gründe rechtfertigen nicht in jedem Fall eine außerordentliche Kündigung.
Kündigung wegen Betriebsschließung
Auch vor betriebsbedingten Kündigungen sind unkündbare Angestellte nicht ganz sicher. Allerdings dürfen Sie als unkündbarer Arbeitnehmer nur dann gekündigt werden, wenn der Betrieb vollkommen oder zumindest teilweise geschlossen wird. In diesem Fall ist es Ihrem Arbeitgeber unzumutbar, Sie bis zum Renteneintrittsalter zu beschäftigen und er kann eine außerordentliche Kündigung unter Berufung auf § 626 BGB aussprechen.
Hier erfahren Sie mehr zur Kündigung wegen einer Betriebsschließung.
Aber: Andere Restrukturierungs- und Sparmaßnahmen, die häufig ordentliche betriebsbedingte Kündigungen zur Folge haben, sind noch kein ausreichender Grund für die außerordentliche Kündigung von unkündbaren Mitarbeitern. Ausnahmen gelten im Insolvenzverfahren, s.u.
Beispiel:
Arbeitgeber A muss sein Unternehmen schließen. Er möchte deswegen alle 50 Mitarbeiter betriebsbedingt kündigen. 10 Mitarbeiter sind jedoch nach ihrem Tarifvertrag ordentlich unkündbar. Da A seinen gesamten Betrieb schließen muss, ist es ihm jedoch unzumutbar, die 10 Mitarbeiter weiter zu beschäftigen. Er kann sie deshalb außerordentlich nach § 626 BGB kündigen. Die anderen 40 Mitarbeiter kann er unter den gewöhnlichen Voraussetzungen ordentlich kündigen.
Besonderheit bei Betriebsratsmitgliedern & Co.: Grundsätzlich sind Mitglieder der Personalvertretung ordentlich unkündbar. Kommt es aber zu einer Betriebsstillegung oder Teilschließung, so dürfen diese nach § 15 Abs. 4 und 5 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) ausnahmsweise ordentlich betriebsbedingt gekündigt werden.
Kündigung im Insolvenzverfahren
Wenn über den Arbeitgeber das Insolvenzverfahren eröffnet ist, sind auch solche Arbeitnehmer ordentlich kündbar, die laut Tarifvertrag eigentlich unkündbar sind. Trotzdem muss der Insolvenzverwalter natürlich die allgemeinen Anforderungen an eine betriebsbedingte Kündigung wahren.
Hier erfahren Sie mehr zur Kündigung im Insolvenzverfahren.
Für Schwangere etc., die gesetzlich unkündbar sind, ändert sich hingegen nichts.
Kündigung wegen Krankheit
Unkündbare Mitarbeiter können nur in sehr seltenen Fällen wegen einer Krankheit gekündigt werden. Auch wenn Sie für sehr lange Zeit krankheitsbedingt ausfallen, ist es Ihrem Arbeitgeber meist zumutbar, Sie trotzdem weiterhin zu beschäftigen. Er muss Ihr Gehalt nämlich grundsätzlich nur für 6 Wochen während der Krankheit fortzahlen.
Aber: Wenn Sie sehr häufig kurzzeitig krank sind, riskieren Sie als unkündbarer Arbeitnehmer eine außerordentliche Kündigung. Denn dann muss Ihr Arbeitgeber das Gehalt immer wieder fortzahlen, ohne dass er von Ihrer Arbeitsleistung profitiert.
Dies ist laut Bundesarbeitsgericht (BAG) aber nur in besonderen Ausnahmefällen möglich. Die Richter haben dies in einem Fall bejaht, in dem der Arbeitgeber für mehr als ein Drittel der Arbeitstage im Jahr Entgeltfortzahlungen wegen mehrerer Kurzerkrankungen leisten musste (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.04.2018, 2 AZR 6/18).
Wie sollten Unkündbare auf eine Kündigung reagieren?
Wie bereits dargestellt, darf Ihr Arbeitgeber Sie als unkündbaren Arbeitnehmer nur unter sehr strengen Voraussetzungen kündigen. Wenn Sie trotz Unkündbarkeit eine außerordentliche Kündigung erhalten, ist es daher wahrscheinlich, dass die Kündigung rechtswidrig ist.
Im Falle einer außerordentlichen Kündigung sollten Sie deshalb unbedingt einen Fachanwalt für Arbeitsrecht konsultieren. Dieser besitzt das nötige Fachwissen, um zu erkennen, ob Ihre Kündigung wirksam oder tatsächlich rechtlich angreifbar ist.
Herr Dr. Drees wird Ihre Rechte durchsetzen. Er kann Verhandlungen mit Ihrem Arbeitgeber führen und gegebenenfalls gegen die Kündigung klagen. So haben Sie meistens eine gute Chance auf eine hohe Abfindung.
Achtung: Sie müssen zügig reagieren! Eine Kündigungsschutzklage muss sowohl bei einer ordentlichen als auch bei einer außerordentlichen Kündigung innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der Kündigung erhoben werden. Danach können Sie sich nicht mehr gegen die Kündigung wehren und haben somit auch keine Chance mehr auf eine (attraktive) Abfindung.
Bei Unkündbarkeit haben Sie Chancen auf eine Abfindung
Grundsätzlich haben Sie auch als ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer keinen rechtlichen Anspruch auf eine Abfindung. Häufig bieten Arbeitgeber aber dennoch eine Abfindung dafür an, dass Sie die Klagefrist verstreichen lassen oder Ihre Klage zurücknehmen.
Wenn Sie ordentlich unkündbar sind, begegnet Ihr Arbeitgeber einem besonders hohen Risiko, falls Sie gegen die Kündigung klagen. Er kann sich selten sicher sein, dass die Kündigung wirksam ist und somit der Klage standhält. Ist Ihre Kündigungsschutzklage aber erfolgreich, muss er Sie für die gesamte Prozessdauer nachbezahlen. Das kann sehr teuer werden, denn ein Prozess dauert meistens mehrere Monate.
Als unkündbarer Arbeitnehmer haben Sie deswegen eine sehr gute Verhandlungsposition. Fassen Sie also den Mut, Ihrem Arbeitgeber gegenüber eine hohe Abfindung zu verlangen! Hier erfahren Sie, wie Sie dabei vorgehen sollten:
Fachanwalt für Arbeitsrecht beauftragen
Wie bereits erläutert, sollten Sie zunächst einen Fachanwalt für Arbeitsrecht beauftragen. Herr Dr. Drees kann die Erfolgschancen einer Klage besser beurteilen und dementsprechend besser mit Ihrem Arbeitgeber verhandeln.
Abwicklungsvertrag
Stimmt Ihr Arbeitgeber der geforderten Abfindung zu, können Sie mit ihm einen Abwicklungsvertrag schließen. Dabei verzichten Sie auf eine Kündigungsschutzklage und erhalten im Gegenzug die geforderte Abfindung.
Kündigungsschutzklage
Sie oder Ihr Anwalt halten die Kündigung für unwirksam und Ihr Arbeitgeber ist nicht bereit, die geforderte Abfindung zu zahlen? Dann sollten Sie mit Ihrem Anwalt eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht erheben.
In den meisten Fällen wird dann ein gerichtlicher Vergleich geschlossen. Sie erhalten also eine Abfindung und beenden im Gegenzug den Prozess. Je höher die Prozesschancen sind, desto höhere Abfindungsbeträge können Sie verlangen.
Sie können den Prozess auch bis zu einem abschließenden Urteil fortführen. Wenn Sie gewinnen, ist die Kündigung unwirksam und Ihr Arbeitsverhältnis besteht fort. Eine erneute Zusammenarbeit ist nach einem längeren Rechtsstreit aber meist unzumutbar. Auf Antrag einer der beiden Parteien wird das Arbeitsverhältnis deshalb oft unter mit einer angemessenen Abfindung beendet.
Hier erfahren Sie mehr dazu, wie Sie eine Abfindung in die Höhe treiben können.
Fazit
- Arbeitnehmer, die schwanger, in Elternzeit oder in der Ausbildung sind, genießen Unkündbarkeit nach dem Gesetz. Unkündbar sind außerdem Mitglieder der Personalvertretung in einem Betrieb, insbes. Betriebsratsmitglieder.
- Ältere und lange beschäftigte Arbeitnehmer genießen häufig einen besonderen Kündigungsschutz per Tarifvertrag.
- Unkündbarkeit bedeutet nur, dass Ihr Arbeitgeber Sie nicht ordentlich kündigen darf. Eine außerordentliche Kündigung wegen schweren Pflichtverletzungen, Betriebsstillegung oder häufiger Krankheit ist aber weiterhin möglich – wenn auch nur in Ausnahmefällen.
- Wenn Sie ordentlich unkündbar sind, begegnet Ihr Arbeitgeber einem besonders hohen Risiko, falls Sie gegen die Kündigung klagen. Sie können deswegen meist eine hohe Abfindung aushandeln.
Wie unsere Mandanten das Engagement von Dr. Drees bewerten